Samstag, 11. Mai 2013

Nochmal zum Spion Gottes

Er selber sagte von sich, er sei ein Spion Gottes. Ich erwähne diese Selbstbezeichnung hier besonders gern, weil Kierkegaard trotz seiner Kirchenkritik und gerade wegen seiner Gedankenschärfe nie aufhörte religiöser Schrifststeller oder christlicher Autor zu sein. Atheismus war schon damals sehr im Kommen. So muss man vielleicht erwähnen, dass nicht nur die Kirche ihn vergisst, sondern auch die andere Seite ihn nicht ernst genug nimmt. Klar, Dichter wie Rainer Maria Rilke, Franz Kafka, Robert Musil, Max Frisch, Samuel Beckett oder Thomas Bernhard wurden von ihm inspiriert. Auch Philosophen wie Karl Jaspers, Martin Heidegger oder Jean-Paul Sartre bezogen sich auf ihn. Doch der Inlandreisende oder Geistreisende Kierkegaard wollte womöglich gar nicht als Gründer der Existenzphilosophie oder Vater der Psychoanalyse angesehen werden.Er kritisierte die Aufklärung hart genug, eben weil er aufgeklärt war. Er kritisierte das real existierende Christentum als Christenheit, weil er das echte Christentum wollte. ...denn, was das Christentum ganz verwirrt hat und was zum großen Teil den Anlaß zu der Einbildung von einer triumphalen Kirche gegeben hat, ist dies, daß man das Christentum als Wahrheit im Sinne von Resultat angesehen hat, statt als Wahrheit im Sinne von "Weg".

Oder dies:
Die Liebe hat in den Dichtern ihre Priester, und bisweilen hört man ihre Stimme, die sie hochzuhalten weiß; aber über den Glauben hört man kein Wort, wer spricht dieser Leidenschaft zu Ehren? Die Philosophie geht weiter. Die Theologie sitzt geschminkt am Fenster und buhlt um die Gunst der Philosophie, bietet dieser ihre Schönheit feil. Es soll schwer sein, Hegel zu verstehen, aber Abraham zu verstehen ist eine Kleinigkeit. Über Hegel hinauszugehen, wäre ein Wunder, aber über Abraham hinauszukommen, ist das leichteste von allem. Ich habe meinerseits viele Stunden auf das Verständnis der Hegelschen Philosophie angewandt und glaube auch, sie einigermaßen verstanden zu haben... All das tue ich leicht, natürlich, mein Kopf leidet nicht darunter. Wenn ich dagegen über Abraham nachdenken soll, dann bin ich wie vernichtet. Mir kommt in jedem Augenblick das ungeheure Paradox vor Augen, das der Inhalt von Abrahams Leben ist.