Samstag, 27. Juli 2013

Save your servant

 Hear me, Lord, and answer me,
for I am poor and needy.
Guard my life, for I am faithful to you;
 save your servant who trusts in you.
You are my God; have mercy on me, Lord,
 for I call to you all day long. 
Bring joy to your servant, Lord, 
 for I put my trust in you.

Psalm 86 - [Ein Gebet Davids.]
Wende dein Ohr mir zu, erhöre mich, Herr!/Denn ich bin arm und gebeugt. Beschütze mich, denn ich bin dir ergeben!/Hilf deinem Knecht, der dir vertraut! Du bist mein Gott. Sei mir gnädig, o Herr!/ Den ganzen Tag rufe ich zu dir. Herr, erfreue deinen Knecht; /denn ich erhebe meine Seele zu dir./ Herr, du bist gütig und bereit zu verzeihen, /für alle, die zu dir rufen, reich an Gnade./Herr, vernimm mein Beten, /achte auf mein lautes Flehen! Am Tag meiner Not rufe ich zu dir; /denn du wirst mich erhören. Herr, unter den Göttern ist keiner wie du /und nichts gleicht den Werken, die du geschaffen hast./Alle Völker kommen und beten dich an, /sie geben, Herr, deinem Namen die Ehre./Denn du bist groß und tust Wunder; /du allein bist Gott./Weise mir, Herr, deinen Weg; /ich will ihn gehen in Treue zu dir. Richte mein Herz darauf hin, / allein deinen Namen zu fürchten!Ich will dir danken, Herr, mein Gott, /aus ganzem Herzen, / will deinen Namen ehren immer und ewig./Du hast mich den Tiefen des Totenreichs entrissen. /Denn groß ist über mir deine Huld./Gott, freche Menschen haben sich gegen mich erhoben, /die Rotte der Gewalttäter trachtet mir nach dem Leben; / doch dich haben sie nicht vor Augen./Du aber, Herr, bist ein barmherziger und gnädiger Gott, /du bist langmütig, reich an Huld und Treue./Wende dich mir zu und sei mir gnädig, /gib deinem Knecht wieder Kraft / und hilf dem Sohn deiner Magd!/Tu ein Zeichen und schenke mir Glück! /Alle, die mich hassen, sollen es sehen und sich schämen, / weil du, Herr, mich gerettet und getröstet hast. 

Sonntag, 21. Juli 2013

Je größer das Dunkel desto heller das Licht




Die Widerstände gegen die Reformer Johannes und Teresa von Ávila wurden immer stärker, die Inquisition brachte Johannes wegen Überschreitung seiner Zuständigkeiten 1577 in ein Ordensgefängnis nach Toledo. Die Schikanen und Qualen dort führten bei Johannes zur tiefen mystischen Erfahrung und zu deren dichterisch ausgestalteter schriftlicher Fixierung.
Johannes vom Kreuz (1542-1591) spanisch: Juan de la Cruz war ein Unbeschuhter Karmelit, Mystiker, Dichter und Kirchenlehrer. 1563 trat er in den Orden der Karmeliten ein. Er war begeistert von den Reformbestrebungen Theresa von Avilas, die er kurz nach seiner Priesterweihe kennen-lernte. Da die Inquisition weniger begeistert von Reformen war, sperrte man Johannes vom Kreuz monatelang ins Gefängnis. Dort schrieb er unter Qualen das Gedicht Die dunkle Nacht. Es beschreibt den Weg der Seele, die ihre Freude darüber zum Ausruck bring, auf dem Weg der geistigen Entäußerung die erhabene Stufe der Vollkommenheit, die Vereinigung mit Gott, erstiegen zu haben. 


Die dunkle Nacht

Entflammt von Liebesqualen,
als schwarz die Nacht einst webte,
o Glück, das ich erlebte!,
ging unbemerkt ich aus,
als Ruhe schon befriedete mein Haus.
 

Wohl auf geheimer Stiege,
vermummt, mit sicherm Schritte,
ging durch des Dunkels Mitte,
o Glück! ich heimlich aus,
als Ruhe schon befriedete mein Haus.

O seligste der Nächte!
Verborgen, sah mich keiner;
mein Führer war nur Einer,
ein Licht, durch das ich sah:
Des Herzens Flamme wies mir, was geschah.

Sie führte mich gewisser
denn Mittagssonnenfeuer
zur Stätte, wo mein Treuer
mein harrete allein.
In diese Stätte drang kein andrer ein.

O Nacht, so hold wie nimmer
das Morgenrot erscheinet!
O Nacht, die du vereinet
dem Bräutigam die Braut,
die umgewandelt sich in Ihm erschaut!

 Mein Herz ihm treu und gänzlich,
bewahrt zum Blumenbette,
war seine Schlummerstätte,
wo liebend ich ihn hielt,
indes die Zeder mit den Lüften spielt!

 Auroras Haar in Lüften,
es weht zur Morgenstunde,
da fühlt’ ich eine Wunde
am Hals von lichter Hand.
O die Entzückung, die ich da empfand!

 Ich lehnt’ an den Geliebten,
mein Antlitz liebestrunken,
und – alles war versunken.
Ich schwand mit allem hin,
die Sorgen ließ ich unter Lilien blüh’n.

Mittwoch, 17. Juli 2013

Zum Gegengebet

Ich entdeckte den Büchnerpreisträger Josef Winkler erst jetzt und es musste sogar etwas nachgeholfen werden, also ich schaffte es nur durch professionelle Hilfe. Vielleicht notierte ich mir diesen Namen auf einen Zettel, sagen wir nach einem Telefonat. Später surfte ich vielleicht ein wenig durchs Netz, um mich zu informieren. Dabei bin ich auf folgende Sätze gestoßen: Gestern abend, im Bett auf dem Rücken liegend, stellte ich mir meinen Tod vor. Ich schloß die Hände zum Gegengebet. Und das genügte mir schon. Ich stellte mir dann tagelang diesen Mann vor, der, genau wie ich, schreckliche Angst vor dem Tod hat und der gestern abend, in seinem Bett auf dem Rücken liegend, sich seinen Tod vorstellte und dabei die Hände zum Gegengebet schloß. Ich wollte dann einfach wissen, wie er sich seinen Tod vorstellte und was er gebetet hat, denn ich stellte mir auch vor, dass sein ganze Buch aus diesem Gegengebet bestehen würde. Der Titel des Buches lautet Wortschatz der Nacht und ich kaufte es und meine Vorstellungen wurden übertroffen. Es ist ein rauschhaftes Buch, leidenschaftlich und mit genügend Zorn. Aber auch Sehnsucht und einer überfließenden Liebe. Ich würde jetzt gern seitenlang daraus zitieren, aber aus verschiedenen Gründen beschränke ich mich auf wenige Kostproben.

Rot oder weiß? Öl oder Wasser? Essig oder Galle? Noch während der Soldat mit der Lanze den Brustkorb Jesu aufbricht... reißt er im Traum meine Augen auf. Erschrocken blicke ich auf die Lanze in meiner Brust, ein Freund will sie herausziehen, aber bösartig blicke ich ihn an, sage, daß ich ihn liebe, umklammere mit der rechten Hand die Schneide der Lanze, spüre keinen Schmerz mehr... und stoße mit meiner letzten Kraft die Schneide tiefer in die Brust. Wenn du mir das Leben rettest, nur um dich in mir zu lieben, laß mich bitte sterben, falte deine Hände und blick mir ins bleierne Gesicht. Das Haupt senkt sich auf meine Brust. Die Erntedankkrone fällt zu Boden und rollt vor die Füße der Mutter. Langsam, mit tränenden Augen und einem roten Fleck in der Hüftgegend, geht sie, Weizenkorn für Weizenkorn kauend, den Berg hoch. Sie wird den Gekreuzigten mit dem Brot Gottes füttern... Die Kinder Gottes sind inzwischen Greise geworden. 

Josef Winkler, Wortschatz der Nacht, Suhrkamp Verlag, 2013.

Montag, 15. Juli 2013

Mehr Licht!

Heute möchte ich mal etwas mehr Peter Licht in die Sache bringen, weil Peter sich Sachen fragt, die ich mich auch oft frage, nur er fragt schöner.
manchmal frage ich mich wie weit wir noch gehen sollen und ob noch jemand mit uns kommt...
in welchem jenseits wir jetzt schon sind/
und ob wir nicht eher stehen geblieben sind/
und die kugel rollt sich weg unter uns/
manchmal frage ich mich, wo all unsere leute jetzt sind/sie kamen uns abhanden unterwegs...


So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und ertrage einer den andern!
Kolosser 3,12-13 

Dienstag, 9. Juli 2013

Die Engel, die Mücke und die Seele

Verstehen wir immer mehr oder immer weniger? Früher liebte ich Meister Eckhart gerade wegen seiner intellektuellen Art, seine Mystik ging die meisten Wege Seite an Seite mit der Vernunft. Er benötigte keine Visionen, er erklärte uns den Gang der Seele. Wenn ich ihn jetzt wieder lese, finde ich ihn beinahe schwierig. Aber lest selbst. Ich zitiere einen Abschnitt aus der Predigt "Über die Armut an Geist". Es geht dort um drei zu erlangende Stufen: nichts wollen, nichts wissen und nichts haben. Nichts wollen? Wenn man diesen Zustand nur einmal am Tag erlangen könnte, für wenige Sekunden, dann wäre man in diesen Sekunden doch glücklich.  


Erstens also behaupten wir, ein armer Mensch sei der, der nichts will. Diesen Satz verstehen einige Leute nicht richtig. Es sind die Leute, die sich in ihrem Selbstbezug an Bußwerke und äußere Übungen halten. Sie finden, das sei etwas Großes. Mir tun diese Menschen leid. Denn sie begreifen so wenig von der göttlichen Wahrheit. Dem äußeren Anschein folgend, nennen viele Leute sie „heilig”. Aber sie sind Esel. Innen sind sie Esel, denn sie begreifen nicht das Besondere der göttlichen Wahrheit. Auch diese Menschen behaupten, ein armer Mensch sei, wer nichts will. Sie erklären das aber so: Der Mensch soll so leben, dass er nirgends seinen eigenen Willen erfüllt, sondern immer nur danach strebe, wie er den liebsten Willen Gottes erfülle. Um diese Menschen steht es gut, denn ihre Absicht ist gut, deshalb wollen wir sie loben.
Gott gebe ihnen in seiner Barmherzigkeit das Himmelreich. Ich gehe aber noch weiter und behaupte bei der göttlichen Wahrheit: Diese Menschen sind nicht arm, und sie gleichen auch nicht armen Menschen. Leute, die nichts Besseres kennen, achten sie hoch. Aber ich behaupte: Sie sind Esel; von der Wahrheit begreifen sie nichts. Weil sie es gut meinen, werden sie das Himmelreich erlangen, aber von der Armut, von der wir nun reden wollen, verstehen sie gar nichts.
Käme nun einer und fragte mich: Was wäre denn ein armer Mensch, der nichts will?, so antworte ich ihm und argumentiere wie folgt: Solange der Mensch daran festhält, es sei sein Wille, den liebsten Willen Gottes erfüllen zu wollen, so lange hat er die Armut nicht, von der wir reden wollen. Denn dieser Mensch besitzt immer noch einen Willen, mit dem er dem Willen Gottes entsprechen will, und das ist nicht die wahre Armut. Denn der Mensch, der die wirkliche Armut hat, der ist völlig abgelöst von seinem geschaffenen Willen, so wie damals, als er noch nicht war. Denn ich sage euch bei der ewigen Wahrheit: Solange ihr den Willen besitzt, den Willen Gottes zu erfüllen und solange ihr Verlangen habt nach der Ewigkeit und nach Gott, so lange seid ihr nicht arm. Denn nur das ist ein armer Mensch, der nichts will und nichts verlangt.
Als ich in meinem ersten Ursprung stand, da hatte ich keinen Gott, und da war ich Ursprung meiner selbst. Da wollte ich nichts. Dort verlangte ich nach nichts, denn ich war abgelöst von ihm und ein Erkennender meiner selbst im Genuss der Wahrheit. Da wollte ich mich selbst und sonst nichts. Was ich wollte, das war ich. Was ich war, das wollte ich. Und hier stand ich, abgelöst von Gott und allen Dingen. Aber als ich dann heraustrat aus meinem freien Willen und mein geschaffenes Wesen entgegennahm, da bekam ich einen Gott. Denn bevor die Geschöpfe waren, da war Gott nicht Gott, vielmehr war er, was er war. Aber als die Geschöpfe entstanden und ihr geschaffenes Wesen empfingen, da war Gott nicht mehr Gott in sich selbst, sondern er war Gott in den Geschöpfen.
Nun behaupte ich: Gott, sofern er Gott ist, ist nicht das vollkommene Wesensziel der Geschöpfe. Dazu ist der Reichtum zu groß, den das geringste Geschöpf in Gott hat. Hätte eine Mücke Vernunft und suchte sie mit Vernunft den ewigen Abgrund des göttlichen Wesens, aus dem sie gekommen ist, so könnte Gott, behaupte ich, mit all dem, worin er Gott ist, die Mücke nicht ausfüllen und ihr Genüge verschaffen. Deswegen bitte ich Gott, losgelöst zu werden von Gott und die Wahrheit dort zu ergreifen und die Ewigkeit dort zu genießen, wo die obersten Engel und die Mücke und die Seele gleich sind worin ich stand und wollte, was ich war und war, was ich wollte. Deshalb behaupte ich: Soll der Mensch arm sein an Willen, dann darf er so wenig wollen und verlangen, als er wollte und verlangte, als er nicht war. Und in diesem Sinne ist der Mensch arm, der nichts will.

Mittwoch, 3. Juli 2013

Wer wartet hinter der Tür


 Heimkehr von Franz Kafka

Ich bin zurückgekehrt, ich habe den Flur durchschritten und blicke mich um. Es ist meines Vaters alter Hof. Die Pfütze in der Mitte. Altes, unbrauchbares Gerät, ineinander verfahren, verstellt den Weg zur Bodentreppe. Die Katze lauert auf dem Geländer. Ein zerrissenes Tuch, einmal im Spiel um eine Stange gewunden, hebt sich im Wind. Ich bin angekommen. Wer wird mich empfangen? Wer wartet hinter der Tür der Küche? Rauch kommt aus dem Schornstein, der Kaffee zum Abendessen wird gekocht. Ist dir heimlich, fühlst du dich zu Hause? Ich weiß es nicht, ich bin sehr unsicher. Meines Vaters Haus ist es, aber kalt steht Stück neben Stück, als wäre jedes mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, die ich teils vergessen habe, teils niemals kannte. Was kann ich ihnen nützen, was bin ich ihnen und sei ich auch des Vaters, des alten Landwirts Sohn. Und ich wage nicht an die Küchentür zu klopfen, nur von der Ferne horche ich, nur von der Ferne horche ich stehend, nicht so, dass ich als Horcher überrascht werden könnte. Und weil ich von der Ferne horche, erhorche ich nichts, nur einen leichten Uhrenschlag höre ich oder glaube ihn vielleicht nur zu hören, herüber aus den Kindertagen. Was sonst in der Küche geschieht, ist das Geheimnis der dort Sitzenden, das sie vor mir wahren. Je länger man vor der Tür zögert, desto fremder wird man. Wie wäre es, wenn jetzt jemand die Tür öffnete und mich etwas fragte. Wäre ich dann nicht selbst wie einer, der sein Geheimnis wahren will.

Die Parabel Heimkehr kann durchaus mit dem Gleichnis Vom verlorenen Sohn (Lukas 15, 11-32) in Verbindung gebracht werden. Der Unterschied liegt auf der Hand: Kafkas Heimkehrer wird nie wirklich ankommen, selbst wenn er zurückkehrt. Der verlorene Sohn im Gleichnis der Bibel wird vom Vater in die Arme genommen, Kafkas Held hält zögnerd inne. Er lauscht, er erinnert sich, er zweifelt: was kann ich ihnen nützen. Er wagt es nicht einmal an die Küchentür zu klopfen und so bleibt eine Familie, von der wir nichts wissen im Verborgenen. Der Vater bleibt unerkannt in der Ferne, der Sohn lauscht von der Ferne her und erhorcht nichts. Die Szene, die alle Maler so gern darstellen, nämlich wie der verlorene Sohn vom Vater in die Arme genommen wird, entfällt. Aber warum kann dieser Heimkehrer nicht heimkehren, fragen wir uns. Hoffentlich. Man deutet die Parabel gern autobiographisch und sagt: Kafka habe sich in seiner Familie, insbesondere beim Vater, nie zuhause gefühlt, er war ein Außernseiter in der eigenen Familie. Deshalb kann er nicht nachhause zurückkehren, weil er es nie hatte, dies Zuhause.
Schwer ist es fortzugehen für einen, der fremd ist in der eigenen Familie. 
Unmöglich ist es heimzukehren, wenn man nicht fortgeht.

 Franz Kafka wurde am 3. Juli 1883 in Prag geboren. Für mich wird er mit jedem Text, den ich von ihm lese wiedergeboren.