Mittwoch, 26. Februar 2014

Propheten und andere

Neues aus dem Buch der Unruhe:

Ein Freund, Teilhaber einer Firma, die dank ihrer Geschäftsbeziehungen zu allen staatlichen Stellen floriert, sagte neulich zu mir, da er annahm, ich verdiente zuwenig: "Sie werden ausgebeutet, Soares." Das rief mir in Erinnerung, daß dem so ist, da wir alle aber im Leben ausgebeutet werden müssen, fragte ich mich, ob es nicht weniger schlimm ist, von Herrn Vasques, dem Tuchhändler ausgebeutet zu werden als von Eitelkeit, Ruhm, Verachtung, Neid oder dem Unmöglichen.
Manche beutet Gott selbst aus, sie sind die Propheten und Heiligen in der Leere dieser Welt. 


Fernando Pessoa, Das Buch der Unruhe, Fischer Verlag 2011. 

Freitag, 14. Februar 2014

Zustände - Alle Tage

Erst jetzt den wunderbaren Roman der Buchpreisträgerin Terézia Mora Alle Tage gelesen und sogar was für diesen Blog darin gefunden, und zwar im Kapitel "Gottesurteile": Manchmal, sagte Ilia, bin ich von Liebe und Hingabe ganz erfüllt. So ganz und gar, dass ich gar nichts anderes mehr bin als diese Liebe und diese Hingabe. Das dauert einige Minuten. Manchmal auch nur Sekunden. Ich tauche auf und sehe: Es waren nur wenige Sekunden. Bevor ich auftauche, sehe ich mich von außen. Ich sehe mich in Ekstase und erkenne es als Pose. In diesem Moment, wenn ich es als Pose erkenne, bin ich von der Hingabe zur Skepsis gewechselt, also vom Glauben zum Nichtglauben. Wenn ich mich in der Skepsis befinde, und das tue ich häufig, erscheine ich mir in meiner vorherigen Hingabe, mit allem, was dazugehört an ganz klar abergläubischen Ritualen, die ich allein oder mit anderen zusammen ausführe, als lächerlich und dumm. Wenn ich im Glauben bin, und auch das bin ich ziemlich häufig, scheine ich mir in meiner Skepsis abscheulich und dumm. Das sind meine beiden Zustände. Entweder der eine oder der andere, und manchmal auch beide zusammen. 

Terézia Mora, Alle Tage, btb, 2006. 

Sonntag, 2. Februar 2014

Ruhelos ist unser Herz



Augustin - Confessiones (Bekenntnisse)

Erstes Buch

Erstes Kapitel

Groß bist du, o Herr, und deines Lobes ist kein Ende; groß ist die Fülle deiner Kraft, und deine Weisheit ist unermeßlich. Und loben will dich der Mensch, ein so geringer Teil deiner Schöpfung; der Mensch, der sich unter der Last der Sterblichkeit beugt, dem Zeugnis seiner Sünde, einem Zeugnis, daß du den Hoffärtigen widerstehest; und doch will dich loben der Mensch, ein so geringer Teil deiner Schöpfung. Du schaffest, daß er mit Freuden dich preise, denn zu deinem Eigentum erschufst du uns, und ruhelos ist unser Herz, bis es ruhet in dir. Kläre mich auf, o Herr, und laß mich erkennen, ob wir dich zuerst anrufen oder dich preisen; ob wir dich eher erfassen als anrufen sollen? Doch wer ruft dich an, solange du ihm unbekannt bist? Könnte dich, der dich nicht erkennt, statt des einen ein anderes Wesen anrufen? Oder wirst du zuvor angerufen, auf daß du erkannt werdest? Wie sollen sie aber anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber glauben an den, der ihnen nicht geprediget worden? Loben werden den Herrn, die ihn suchen. So ihn aber suchen, werden ihn finden, und die ihn finden, werden ihn loben. Ich will dich suchen, o Herr, im Gebet, und ich werde dich anrufen im Glauben: denn du bist uns verkündigen worden. Mein Glaube, den du mir gegeben, o Herr, ruft dich an, mein Glaube, den du mir einhauchtest durch die Menschwerdung deines Sohnes durch die Vermittlung deines Predigers.