Montag, 30. Juni 2014

Zeichen der Liebe


AUGUSTINUS

CONFESSIONES 4,8,13

Mit einander reden und lachen,
sich gegenseitig Gefälligkeiten erweisen,
zusammen schöne Bücher lesen,
sich necken,
dabei aber auch einander
Achtung erweisen,
mitunter sich auch streiten
– ohne Hass,
wie man es auch mit sich tut,
manchmal auch in den Meinungen
auseinandergehen
und damit die Eintracht würzen,
einander belehren
und von einander lernen,
die Abwesenden schmerzlich vermissen
und die Ankommenden freudig begrüßen
– lauter Zeichen der Liebe und Gegenliebe,
die aus dem Herzen kommen,
sich äußern in Miene, Wort
und tausend freundlichen Gesten,
und wie Zündstoff den Geist
in Gemeinsamkeit entflammen,
so dass aus Vielheit Einheit wird.

Sonntag, 22. Juni 2014

Höflichkeitskatechismus

Der gute alte Goethe soll wieder schuld sein, und zwar diesmal daran, dass Balzac im deutschen Sprachraum ein bekannter Unbekannter ist (vgl. Willms, Balzac Biographie, die mich auf einer sehr schönen Südfrankreich-Reise gut unterhalten hat.) Aber selbst wenn es so wäre - und wir sogar einen Sündenbock haben - muss dies ja nicht für immer gelten. 
Um sogleich mit gutem Beispiel voran zu eilen, folgen nun Sätze des Meisters: Mademoiselle Cormon sah es als eine ihrer Pflichten an, zu reden; nicht daß sie schwatzhaft gewesen wäre, sie war unglücklicherweise zu beschränkt und kannte zuwenig Redensarten, um ein Gespräch führen zu können; aber sie glaubte damit eine von der Religion vorgeschriebene soziale Pflicht zu erfüllen, die uns auferlegt, sich seinen Mitmenschen angenehm zu machen. Diese Verpflichtung kostete sie soviel Anstrengung, daß sie über diesen Punkt des Höflichkeitskatechismus ihren religiösen Beistand, den Abbé Couturier, befragt hatte. Trotz der bescheidenen Bemerkung seines Beichtkindes, daß sich ihr Geist, um etwas Unterhaltendes zu finden, einer schweren inneren Arbeit unterziehen müsse, las ihr der alte Priester, der in Fragen des Verhaltens unerschütterlich war, eine ganze Passage aus dem heiligen Franz von Sales über die Pflichten der Frau der Gesellschaft vor, über die wohlanständige Heiterkeit frommer Christinnen, die sich ihre Strenge für sich selbst aufsparen und sich in ihrem Hause liebenswürdig zeigen sollten, so daß sich ihre Mitmenschen nicht bei ihnen langweilen. Da sie nun ihrem Beichtvater, der ihr das Plaudern zur Pflicht gemacht hatte, um jeden Preis gehorchen wollte, so geriet die Arme in ihrem Korsett in Schweiß, wenn die Unterhaltung erschlaffte, so schwer wurde ihr der Versuch, ihre Gedanken auszudrücken, um die ermatteten Gespräche wieder zu beleben. Sie gab dann seltsame Satzgebilde zum besten, etwa wie das folgende: "Niemand kann an zwei Stellen zugleich sein, wenn er nicht ein Vögelchen ist". 

Balzac, Die alte Jungfer, Insel Taschenbuch, S. 85.
 

Dienstag, 3. Juni 2014

Zwar glänzt ein Weniges heute

 Friedrich Hölderlin

Der Gang aufs Land



Komm! ins Offene, Freund! zwar glänzt ein Weniges heute
  Nur herunter und eng schließet der Himmel uns ein.
Weder die Berge sind noch aufgegangen des Waldes
   Gipfel nach Wunsch und leer ruht von Gesange die Luft.
Trüb ists heut, es schlummern die Gäng' und die Gassen und fast will
    Mir es scheinen, es sei, als in der bleiernen Zeit.
Dennoch gelinget der Wunsch, Rechtglaubige zweifeln an Einer
    Stunde nicht und der Lust bleibe geweihet der Tag.
Denn nicht wenig erfreut, was wir vom Himmel gewonnen,
    Wenn ers weigert und doch gönnet den Kindern zuletzt.
Nur daß solcher Reden und auch der Schritt’ und der Mühe
    Wert der Gewinn und ganz wahr das Ergötzliche sei.
Darum hoff ich sogar, es werde, wenn das Gewünschte
    Wir beginnen und erst unsere Zunge gelöst,
Und gefunden das Wort, und aufgegangen das Herz ist,
    Und von trunkener Stirn' höher Besinnen entspringt,
Mit der unsern zugleich des Himmels Blüte beginnen,
    Und dem offenen Blick offen der Leuchtende sein.
Denn nicht Mächtiges ists, zum Leben aber gehört es,
    Was wir wollen, und scheint schicklich und freudig zugleich.
Aber kommen doch auch der segenbringenden Schwalben
    Immer einige noch, ehe der Sommer, ins Land.
Nämlich droben zu weihn bei guter Rede den Boden,
    Wo den Gästen das Haus baut der verständige Wirt;
Daß sie kosten und schaun das Schönste, die Fülle des Landes
    Daß, wie das Herz es wünscht, offen, dem Geiste gemäß
Mahl und Tanz und Gesang und Stutgards Freude gekrönt sei,
    Deshalb wollen wir heut wünschend den Hügel hinauf.
Mög' ein Besseres noch das menschenfreundliche Mailicht
    Drüber sprechen, von selbst bildsamen Gästen erklärt,
Oder, wie sonst, wenns andern gefällt, denn alt ist die Sitte,
    Und es schauen so oft lächelnd die Götter auf uns,
Möge der Zimmermann vom Gipfel des Daches den Spruch tun,
    Wir, so gut es gelang, haben das Unsre getan.
Aber schön ist der Ort, wenn in Feiertagen des Frühlings
    Aufgegangen das Tal, wenn mit dem Neckar herab
Weiden grünend und Wald und all die grünenden Bäume
    Zahllos, blühend weiß, wallen in wiegender Luft,
Aber mit Wölkchen bedeckt an Bergen herunter der Weinstock
    Dämmert und wächst und erwarmt unter dem sonnigen Duft.