Montag, 29. September 2014

Du gleichst einem Garten

Erntedank und die wahre Frömmigkeit - den Feiertag heiligen + Barmherzigkeit üben

Jesaja 58, 7-14  ... an die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen.
8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte und deine Wunden werden schnell vernarben. Deine Gerechtigkeit geht dir voran, die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach.
9 Wenn du dann rufst, wird der Herr dir Antwort geben, und wenn du um Hilfe schreist, wird er sagen: Hier bin ich. Wenn du der Unterdrückung bei dir ein Ende machst, auf keinen mit dem Finger zeigst und niemand verleumdest,
10 dem Hungrigen dein Brot reichst und den Darbenden satt machst, dann geht im Dunkel dein Licht auf und deine Finsternis wird hell wie der Mittag.1
11 Der Herr wird dich immer führen, auch im dürren Land macht er dich satt und stärkt deine Glieder. Du gleichst einem bewässerten Garten, einer Quelle, deren Wasser niemals versiegt.
12 Deine Leute bauen die uralten Trümmerstätten wieder auf, die Grundmauern aus der Zeit vergangener Generationen stellst du wieder her. Man nennt dich den Maurer, der die Risse ausbessert, den, der die Ruinen wieder bewohnbar macht.2
13 Wenn du am Sabbat nicht aus dem Haus gehst und an meinem heiligen Tag keine Geschäfte machst, wenn du den Sabbat (den Tag der) Wonne nennst, einen Ehrentag den heiligen Tag des Herrn, wenn du ihn ehrst, indem du keine Gänge machst, keine Geschäfte betreibst und keine Verhandlungen führst,3
14 dann wirst du am Herrn deine Wonne haben, dann lasse ich dich über die Höhen der Erde dahinfahren und das Erbe deines Vaters Jakob genießen. Ja, der Mund des Herrn hat gesprochen.

Montag, 15. September 2014

Bitte nie um Liebe


Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten

Ladydi ist fünfzehn und die Welt, von der sie uns erzählt, erinnert den europäischen Leser womöglich an albtraumhafte Horrorszenarien oder gar Science-Fiction: Frauen, die ihr Leben völlig schutzlos in vergessenen Bergdörfern fristen, die vergeblich versuchen ihre Töchtersöhne vor den ständigen Invasionen der Gewalt zu retten. Ein Überleben im Versteck, ein Leben im Ausnahmezustand und doch ist der Horror Realität, keine Zukunftsvision.
Man hat schon von mexikanischen Drogen- und Mädchenhandel gehört, aber hier folgen wir einer Beschreibung, die unter die Haut geht.
Ladydi, ein als Junge verkleidetes Mädchen, lebt mit ihrer Mutter allein. Ihre Mutter ist eine verlassene Ehefrau wie die meisten Frauen des Dorfes, denn die Männer versuchen ihr Glück in den Städten oder sind längst ausgewandert. Die beiden sind absolut schutz- , aber nicht wehrlos. Das ist es, was dem Roman die eigentliche Erzählspannung gibt, die sehr speziellen Formen des Widerstands dieser Frauen. Zunächst einmal träumt Ladydi von einem anderen Leben und ihre Mutter trinkt, aber dabei kann es durch das, was den beiden zustößt nicht bleiben. Da die lauernde und immer wieder ausbrechende Gewalt eher Naturereignissen gleicht mit denen man sich irgendwie arrangieren muss, könnten sie um die Hilfe eines allmächtigen Gottes bitten. Verspricht das nicht der Titel? Aber scheinbar ist ihnen selbst diese letzte Möglichkeit verwehrt. Die Mutter lehrt ihre Tochter vor allem eines: Bitte nie um Liebe oder Gesundheit... Oder Geld. Wenn Gott hört, was du willst, gibt er es dir nicht. Garantiert. Und so bittet Ladydi um Wolken und Pyjamas und Glühbirnen und als der Vater und Ehemann die beiden verlässt, bitten sie gemeinsam um Löffel. Eine absurde Welt fordert ihr Recht.

Auch Paula, die beste Freundin Ladydis wird eines Tages entführt, verschwindet und das Leben im Ausnahmezustand geht weiter. Normalerweise tauchen entführte Mädchen nicht wieder auf. Doch Paula kommt zurück. Verstummt. Ein Geheimnis umgibt sie. Der Cousin Ladydis, ein hübscher Dummkopf und bald auch Dealer, versucht es zu enträtseln. Wenn es keinen gnädigen Gott gibt, dann setzt man auf Rache. Auch die Mutter Ladydis sagte, sie glaube an Rache. Und dieser Härte sieht sich selbst die Tochter ausgesetzt. Ich wusste, sie würde mir nichts verzeihen, gleichzeitig lernte ich selbst auch, nicht zu verzeihen. Deshalb ging sie auch nicht mehr in die Kirche, sagte sie, obwohl sie manche Heilige verehrte, aber dieses ganze Vergebungstheater gefiel ihr nicht. Ich weiß, dass sie einen Großteil des Tages darüber nachdachte, was sie mit meinem Vater anstellen würde, falls er je zurückkäme. Damit werden alle zur potentiellen Bedrohung, alle und alles wird in einen Strudel krimineller Energie gezogen. Diese brutale Welt des Misstrauens und der Sucht nach Vergeltung ist die Hölle. Welche Chance hätte da ein fünzehnjähriges Mädchen. Welche Möglichkeiten gibt es denn, sich so einer Welt überhaupt zu entziehen?    

Der Leser dieses Romans wird völlig in den Sog der Handlung, aber auch der wirklich gelungenen Dialoge und Gedankenläufe gezogen und taucht erst am Ende atemholend wieder auf. Ich werde hier nicht alles erzählen, den Inhalt jedes Kapitels nacherzählen, um Ihnen diese Spannung zu ersparen. Ich werde Ihnen aber empfehlen, in dieses Buch ein- und abzutauchen.  

Jennifer Clement, Gebete für die Vermissten, Suhrkamp Verlag 2014

Jennifer Clement, 1960 in Connecticut geboren, wuchs in Mexiko-Stadt auf, studierte in New York und Paris Literaturwissenschaft und hat Lyrik und zwei Romane veröffentlicht. Für Gebete für die Vermissten recherchierte sie über zehn Jahre lang in der mexikanischen Provinz und führte Hunderte Interviews mit vom Drogenkrieg betroffenen Mädchen und Frauen.

Situation in Mexiko (der Buchseite des Verlages entnommen): 
  • Regierungsorganisationen schätzen die Zahl der Entführungen im Jahr 2012 auf 105.682.
  • Es gibt 31 % mehr Entführungsfälle als im Jahr zuvor.
  • 2013 wurden nur 1.446 Entführungen zur Anzeige gebracht.
  • Auf Entführung folgt: Zwangsarbeit, Sexhandel, Pornografie.

Montag, 1. September 2014

Weltereignis oder Himmelstheater


1414-1418 fand das Konstanzer Konzil statt. Hauptziel dieser Kirchenversammlung war es, das Abendländische Schisma zu beenden, aber nicht nur. Vielmehr feiere ein Weltereignis Geburtstag. Von 2014-2018 wird nun am Bodensee ausgiebig gefeiert: Ausstellungen, Gottesdienste und Theateraufführung erinnern an eine bewegte Zeit, die vor Verurteilung und Hinrichtung nicht zurückschreckte. Jan Hus und Hieronymus von Prag starben als Ketzer, weil die Kirche sich nicht auf Reformen einlassen wollte. Machtwille, Intrigen und viele gute Absichten führten zu diesem Scheitern. Daneben: gute Beobachter und viel Volk, Händler und Statisten. Nicht einfach über dieses Konzil zu schreiben, ein Theaterstück aus diesem Gewirr von Politik, Träumen und Schuld zu dichten. Wie könnte man anfangen? Wie und womit enden? Zwei Autoren haben sich dieser Herausforderung gestellt und lesen demnächst aus ihrem Stück:  
   
FREIBURGER ANDRUCK am 17.09.-20:00 Uhr
KARL-HEINZ OTT UND THERESIA WALSER: 
KONSTANZ AM MEER. EIN HIMMELSTHEATER

"Konstanz 1414. Hintz und Kuntz stehen seit Stunden am Ufer des Bodensees und warten auf das Schiff des Königs das, längst überfällig, im Nebel des Sees nicht auftaucht. Und als der König mit seiner Frau schließlich Konstanz erreicht, müssen nicht nur die stürmischen Wogen der Ehe geglättet werden, sondern auch die zwischen den am Konzil teilnehmenden Ländern. Auch der Papst bleibt davon nicht ausgenommen – und außerdem gibt es da noch dieses brennende Problem mit Jan Hus! Im warmen Wirtshaus macht sich währenddessen Martha Haefelin Hoffnung, vom Treiben des Konzils zu profitieren. Eine Schiffsflotte will sie aufbauen, die von Konstanz bis zum fernen Meer Handel treibt. Konstanz am Meer, diese „intelligent-hintersinnige Gemeinschaftsarbeit“, wie Bettina Schulte in der Badischen Zeitung schreibt, entstand als Auftragswerk zum 600ten Jubiläum des Konstanzer Konzils. Der Theatertext wird vom Autorenduo gelesen". (Ankündigungstext Literaturbüro Freiburg)



KUNTZ  Man hat mir Rede versprochen.
SELMA  Bald ist's so weit, am Ende ist dann jeder
              sich sein eigener Herr, ein jeder macht sich seinen
              eigenen Himmel, sein eignes Paradies, seine eigene
              Hölle und einen Gott, den jeder sich zusammenbastelt, 
              wie's ihm grade passt.
HINZ    Man hat mir Rede versprochen.
KUNTZ Du redest doch die ganze Zeit!

aus: Theresia Walser, Karl-Heinz Ott, Konstanz am Meer. Ein Himmelstheater, Klöpfer&Meyer Verlag, 2014, S. 99.