Dienstag, 22. Juli 2014

Licht des Schauens

Im Buch der Mystik von Balzac - auf das ich ehrlich gesagt am neugierigsten war -  finden wir folgende Bücher: Seraphita (kaum mehr lesbar), Jesus Christus in Flandern (gut lesbar und noch immer aktuell) und Louis Lambert das aus einer Vielzahl von Gründen interessanteste unter ihnen. 
Ich konnte es selber kaum fassen, aber tatsächlich hat sich Balzac in den 1830er Jahren mit Mesmerismus, Mystik und vielen religiösen Fragen beschäftigt. Außerdem hat sich Balzac in seinem Protagonisten Louis Lambert zum Teil selbst porträtiert. Wir treffen auf einen introvertierten genialen Jungen, der den Härten des Internatslebens kaum gewachsen scheint. Er wird weder von seinen Lehrern noch Mitschülern verstanden. Immer stärker flieht er in seine innere, seine Gedanken- und Ideenwelt. Die Schriften des Mystikers Svedenborg inspirieren ihn zu ausufernden Geistreisen und Spekulationen. Wie es mit ihm nach dem Internat weitergeht? Wie es endet? Ob er die reiche Jüdin Pauline heiraten wird oder nicht? Finden Sie es heraus. Ich muss hier ein bisschen beim Thema bleiben und fische lediglich ein paar Zitate für Sie heraus:

XVI.
Die Gabe des Schauens besteht darin, die Dinge der materiellen Welt ebenso gut wie diejenigen der geistigen Welt in ihren ursprünglichen und ihren in der Folge abgewandelten Arten zu sehen. Die schönsten menschlichen Genien sind diejenigen, die von den Dunkelheiten des Abstrakten ausgegangen sind, um zum Licht des Schauens zu gelangen (species, schauen, nachsinnen, alles sehen und auf einmal; speculum, Spiegel oder Mittel , eine Sache zu begreifen indem man sie ganz sieht). Jesus war ein Seher, er sah das Geschehene in seinen Wurzeln und in seinen Früchten, in der Vergangenheit, die es hervorgebracht, in der Gegenwart, in der es sich darstellt, in der Zukunft, in der es sich entfaltet. Sein Schauen durchdrang die Einsicht des Anderen. Die Vollkommenheit des inneren Schauens erzeugt die Sehergabe. Das "Sehen" bringt die Intuition mit sich. Die Intuition ist eine der Gaben des "inneren Menschen ".

XVIII.
Die Sehergabe ist naturgemäß der vollkommenste Ausdruck des Menschen, der Ring, der die sichtbare Welt mit der höheren verbindet: der schauende Mensch handelt, sieht und fühlt durch sein Inneres. Der abstrakte Mensch denkt, der Instinktive handelt. 

XX.
Es gibt drei Welten: die natürliche, die geistige, die göttliche. .. Es gibt daher einen materiellen, einen geistigen, einen göttlichen Kult; drei Formen, die sich durch das Handeln, das Wort, das Gebet auswirken, oder anders ausgedrückt: durch die Tatsachen, den Verstand und die Liebe. Der Instinktive will Tatsachen, der Abstrakte beschäftigt sich mit den Ideen, der Seher sieht das Ende, strebt Gott zu, den er vorempfindet oder betrachtet.



Mittwoch, 16. Juli 2014

Als eine Wiesen Blum

Heute vor 350 Jahren oder heute ..."Was sind wir Menschen doch! Ein Wohnhaus grimmer Schmerzen."
                                   
Der schlesische Dichter Andreas Gryphius gehört zu den wichtigsten Barockdichtern deutscher Sprache. Er thematisierte in seiner Lyrik das Leid und die existenzielle Verunsicherung der Menschen während des Dreißigjährigen Kriegs. 




Du sihst / wohin du sihst nur Eitelkeit auff Erden.
Was dieser heute baut / reist jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn / wird eine Wiesen seyn /
Auff der ein Schäfers-Kind wird spielen mit den Herden.

Was itzund prächtig blüht / sol bald zutretten werden.
Was itzt so pocht vnd trotzt ist morgen Asch vnd Bein /
Nichts ist / das ewig sey / kein Ertz / kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück vns an / bald donnern die Beschwerden.

Der hohen Thaten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit / der leichte Mensch bestehn?
Ach! was ist alles diß / was wir vor köstlich achten /

Als schlechte Nichtigkeit / als Schatten / Staub vnd Wind;
Als eine Wiesen-Blum / die man nicht wider find’t.
Noch wil was ewig ist kein einig Mensch betrachten!



(Andreas Gryphius, Es ist alles eitel)

Samstag, 5. Juli 2014

METEORA


Letzte Woche gesehen. Der Film erzählt wenig bis nichts. Die Geschichte der verbotenen Liebe zwischen einem Mönch und einer Nonne bleibt fragmentarisch und wirkt wie ein Vorwand. Alles Gesagte bleibt Andeutung und kehrt eilig zurück ins Schweigen. Bewusst. Der Film ist ein Gedicht. Jedes Bild ist sorgfältig gewält und erhält den Raum, den es benötigt. Aus der Stille der Klöster steigen diese Bilder, die weiter nichts tun als den Psalm 23 als Liebesgedicht aufsagen.



Psalm 23

 Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.