Freitag, 31. Mai 2013

Das ist hier die Preisfrage

Kan die Theologie von der nähern Vereinigung, die einige Neuere zwischen ihr und der Dichtkunst zu knüpfen angefangen, sich wohl Vortheile verprechen? 
Dieser Preisfrage widmete sich Jean Paul in den 1780er Jahren und gewann mit deren Beantwortung sogar den Preis! Um es hier abzukürzen: JA! Doch bei diesen sintflutartigen Regengüssen draußen und Erkältungsgefieber drinnen werde ich mich heute nicht auf die Folge logischer Argumente einlassen, sondern nur einige köstliche Textauszüge zitieren:

Da man endlich auch durch Scheiter- haufenfeuer niemanden mehr erleuchten kan, so bleibt folglich nur ein einziges Mittel, zu erleuchten übrig, nämlich Dichterfeuer. 

Ferner: der Anfang und das Ende der Bibel stammen aus poetischen Federn her und die Dichtkunst scheint an ihr keine Verschönerung gespart zu haben.

Denn nur iezt, nachdem ich unwidersprechlich dargethan, daß die Poesie nicht minder als die Theologie gegen den kalten Verstand zu Felde ziehe, darf ich mit einiger Hofnung der Antwort auf die Frage entgegensehen: wenn nun gar zu den Termen der Theologie sich die Dichtkunst mit ihren Verhüllungen schlägt, wenn dem leichten Kopf der ernstern die leztere noch gar ihre Flügel leiht, mus sie alsdan nicht zu einer neuen Höhe aufsteigen? - Allein dies ist noch das Wenigste.

Samstag, 11. Mai 2013

Nochmal zum Spion Gottes

Er selber sagte von sich, er sei ein Spion Gottes. Ich erwähne diese Selbstbezeichnung hier besonders gern, weil Kierkegaard trotz seiner Kirchenkritik und gerade wegen seiner Gedankenschärfe nie aufhörte religiöser Schrifststeller oder christlicher Autor zu sein. Atheismus war schon damals sehr im Kommen. So muss man vielleicht erwähnen, dass nicht nur die Kirche ihn vergisst, sondern auch die andere Seite ihn nicht ernst genug nimmt. Klar, Dichter wie Rainer Maria Rilke, Franz Kafka, Robert Musil, Max Frisch, Samuel Beckett oder Thomas Bernhard wurden von ihm inspiriert. Auch Philosophen wie Karl Jaspers, Martin Heidegger oder Jean-Paul Sartre bezogen sich auf ihn. Doch der Inlandreisende oder Geistreisende Kierkegaard wollte womöglich gar nicht als Gründer der Existenzphilosophie oder Vater der Psychoanalyse angesehen werden.Er kritisierte die Aufklärung hart genug, eben weil er aufgeklärt war. Er kritisierte das real existierende Christentum als Christenheit, weil er das echte Christentum wollte. ...denn, was das Christentum ganz verwirrt hat und was zum großen Teil den Anlaß zu der Einbildung von einer triumphalen Kirche gegeben hat, ist dies, daß man das Christentum als Wahrheit im Sinne von Resultat angesehen hat, statt als Wahrheit im Sinne von "Weg".

Oder dies:
Die Liebe hat in den Dichtern ihre Priester, und bisweilen hört man ihre Stimme, die sie hochzuhalten weiß; aber über den Glauben hört man kein Wort, wer spricht dieser Leidenschaft zu Ehren? Die Philosophie geht weiter. Die Theologie sitzt geschminkt am Fenster und buhlt um die Gunst der Philosophie, bietet dieser ihre Schönheit feil. Es soll schwer sein, Hegel zu verstehen, aber Abraham zu verstehen ist eine Kleinigkeit. Über Hegel hinauszugehen, wäre ein Wunder, aber über Abraham hinauszukommen, ist das leichteste von allem. Ich habe meinerseits viele Stunden auf das Verständnis der Hegelschen Philosophie angewandt und glaube auch, sie einigermaßen verstanden zu haben... All das tue ich leicht, natürlich, mein Kopf leidet nicht darunter. Wenn ich dagegen über Abraham nachdenken soll, dann bin ich wie vernichtet. Mir kommt in jedem Augenblick das ungeheure Paradox vor Augen, das der Inhalt von Abrahams Leben ist.

Sonntag, 5. Mai 2013

Glückwunsch zum Zweihundertsten!

Inlandreisender
Sören Kierkegaard, geb. 5. Mai 1813 blieb ein Schwebender in dieser Welt, sein Leben hat etwas unwirklich Schemen-haftes, sein Denken jedoch nie! Die Kirche, damit die Christenheit, beachtet den Abweichler lieber kaum, sie überlassen ihn gern irgendwelchen Fachspezialisten an irgendwelchen Universitäten. Philosophen und andere Weltmänner sollen sich gefälligst mit diesem Bösewicht beschäftigen. Das ist sehr bedauerlich, aber auch nachvollziehbar, denn K. führte in seinen Spätschriften einen recht verbissenen Kirchenkampf siehe: Zitat unten. 
Außerdem ist einer der sich nicht richtig festlegen will auf eine Seite am Ende doch allen Seiten unheimlich. Kierkegaard pendelte immerhin zwischen Religion, Dichtung und Wissenschaft spielerisch hin und her und das hat er jetzt davon, siehe: Karrikatur links. 

Wir lasen Entweder Oder unterm Dach in der kleinen Kammer, siehe: Notizen einer Theologiestudentin im ersten Semester (unveröffentlicht).

Zitat unten: Der Unterschied zwischen einem Genie und einem Christen ist der: Das Genie ist das Außerordentliche der Natur; dazu kann sich kein Mensch selbst machen. Ein Christ ist das Außerordentliche der Freiheit oder, genauer, das Ordentliche der Freiheit, das man nur selten findet, was aber jeder von uns sein sollte. Deshalb will Gott, dass das Christentum unbedingt für alle verkündet werde, deshalb waren die Apostel ganz einfache Menschen, das Vorbild in Gestalt eines geringen Dieners, alles, um zu zeigen, dass dieses Außerordentliche das Ordentliche und allen zugänglich ist - aber dennoch ist ein Christ etwas noch Selteneres als ein Genie.