Sonntag, 16. Dezember 2012

Frohe Weihnacht, gute Lektüre

Kurt Marti, Weihnacht

damals

als gott
im schrei der geburt
die gottesbilder zerschlug
und zwischen marias schenkeln
runzelig rot
das kind lag




In Das Weihnachten der Dichter finden wir außerdem: Texte aus dem Alten und Neuen Testament, Thomas Mann, Kurt Tucholsky, Erich Kästner, Berthold Brecht, Else Lasker-Schüler, Ilse Aichinger, Johannes Brobowski, Wolfgang Borchert, Peter Huchel, Hermann Hesse, Heinrich Böll, Günther Grass, Rainer Kunze.

Dienstag, 11. Dezember 2012

Erstes und Letztes...

"... und in der Stadt erhob sich über den Häusern die Kirche, gleich einem zur Einigkeit und zur Liebe mahnenden Wächter, oder wie eine große junge Frau mit den Anwandlungen des rechten Familienernstes, denn ewig jung sind die Momente des Gefühls, daß das Leben ernst ist und daß es grünt, lächelt und blutet, und wie der Glaube das Erste und nach langer Zeit vielleicht des nicht viel oder gar nichts mehr Glaubens allgemach das Letzte wird und mit dem Aufkeimenden verwandt ist, und Erstes und Letztes, Beginnendes und Aufhörendes zusammenhängen."
Robert Walser, Der Räuber 

Robert Walser (* 1878 in Biel, Kanton Bern, Schweiz; † 1956 nahe Herisau, Kanton Appenzell, Schweiz) Der Räuber - der vierte und letzte Roman Walsers - gehört zu den "Mikrogrammen", dem in winziger Bleistiftschrift erhaltenen Nachlaß. Der Roman ist ein am Abgrund geschriebenes Werk, der für uns sterbliche Leser als ein kaum mehr lesbares Buch wahrgenommen wird - man selber steht oft zu sehr im Abseits mit ihm. Dennoch ist der sprerrige Räuber eben auch ein konsequenter Roman insofern sein Held als einer gilt, der sich nicht fügt und nicht einfügt und die Sprache des Romans tut dasselbe. Die oft kaum nachvollziehbaren Gedankensprünge, das Verweigern der Handlung, ja oft des Erzählens überhaupt. Was wird denn da überhaupt erzählt? Zwei Frauen ringen um einen Außernseiter, einen Alleingänger, der vor allem eines liebt, seine Alleingänge. Auch hält er viel darauf nutzlos zu sein, was die Frauen nicht gerade an ihn bindet.
Der obige Textauszug leitet eine Art Skandalszene, die in der Kirche spielen wird, ein. Edith - um deren zukünfiges Glück der Held immerhin auf Knien betet - wird auf den Geliebten schießen, natürlich aus Liebe und womöglich, weil er bei seiner Kanzelrede - zu der sein Freund, der Pfarrer, ihn einlud - zu viel von ihr erzählt. So geht es gleich los: ich rede zu ihnen von der Liebe, und sie, die ich liebe, wird gekommen sein, um zu vernehmen, wie ich mich ausdrücke und was mir einleuchten wird, zu sagen. Der Räuber hat wie immer keine Lust sich anzupassen, also spricht er nicht von Gott oder der Nächstenliebe, sondern von seiner Liebe.

Sie hat nie gezögert, mir alles zu sein, und ich bin natürlich viel, viel reicher als sie, denn ich liebe sie, und dem, der liebt, wird immer gegeben, wessen er zu seiner Seligkeit nötig hat, und noch mehr, so daß er sorgen muß, nicht zu viel anzunehmen. Und dieses Mädchens Gesicht war mir schrecklich, und Sie verstehen ja nun, weshalb, denn es war das Gesicht der Beraubten. Wenn ich sie sah, floh ich, und zwar natürlich nicht aus Feigheit... Liebe will ja blind sein. Dann nennt er Edith auch bald eine Ahnungslose, eine Fühllose etc. Und dann fällt er leider um, obwohl der Schuß kaum vernehmbar war. Er überlebt, kommt ins Spital. Er hat schwarze Trauerränder um die Kreise seiner Leidensaugen. Als er das Spital verlässt steht er erstaunt und unschlüssig auf der Straße. Dann ruft er aus: Überall ist nur sie. Sie ist das Weltall. Obwohl Walsers stilistische Heiterkeit und Ironie keine ernste Situation und oder Deutung dieser Zeilen zulässt, ist es doch ein Text, der zum Nachdenken anregt. Inwiefern das nun? Hiervon später mehr...
 
Willkommen auf litera-theo!   

Wenn es mir gelingt, dann wird hier ein Blog zum Thema Literatur & Theologie entstehen.