Freitag, 5. April 2013

Die geheimnisvolle Wendung

Magdalena am Grab bezeichnet nicht nur die Geschichte aus dem Johannes-evangelium, sondern inzwischen auch das kleine Inselbändchen mit einer Erzählung von Patrick Roth.

Kurzbeschreibung: Ein Regisseur will mit vier Schauspielern eine Szene proben. Es ist nicht irgendeine, sondern jene Passage aus dem Johannes-Evangelium, die als Magdalena am Grab bekannt ist. Sie proben in einem leerstehenden Haus am Mulholland Drive in Hollywood. Die kurze Szene, die so einfach und eindeutig scheint, wird immer wieder durchgespielt, denn bei jedem Durchgang verliert sie mehr und mehr an vertrauter Kontur: Spiel und Wirklichkeit durchdringen sich auf fast gespenstische Weise. Alles hängt offenbar an einer Wendung, die erforderlich wäre, damit das Geschehen ganz verständlich würde - an einem Satz, den der Bibeltext jedoch ausspart, als solle hier ein Geheimnis immer neu entdeckt werden.
Besonders eindrücklich ist Roths Bezeichnung "Magdalenensekunde" für die gegenseitige Zuwendung, vor allem jedoch das Wiedererkennen zwischen Jesus und Maria Magdalena. Theologisch formuliert heißt es dann: „Die Magdalenensekunde: das ist die Sekunde der Wiedererkennung: Mensch und Gott werden einander wieder bewußt. Rettend bewußt, einander taufend bewußt: aus dem Wasser des Unbewußten, Toten: ziehen sich beide, einer den anderen – einer neu, neugeboren, im anderen“ (Roth 2003, S.49).