Mittwoch, 13. Januar 2016

Epiphanien

Vor 75 Jahren starb der größte Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, krank und nach all den Jahren der harten Schreibarbeit und des für ihn ebenso harten Existenzkampfes – erschöpft. Abermals - wegen des Zweiten Weltkriegs + des durch deutsche Truppen besetzte Frankreich – musste er weiter ziehen, zurück nach Zürich, wo er mit seiner Familie schon einige Jahre zuvor gelebt hatte. 
Am 13. Januar 1941 ist er dort – nur knapp einen Monat nach Ankunft – gestorben. Jeder der mich kennt, der weiß auch, wie sehr ich James Joyce verehre. Doch was soll er hier auf diesem Blog, der angeblich nur vom Dialog zwischen christlicher Religion und Literatur handelt. Dies ist nun eine Entdeckung (wenn mich mein Gedächtnis nicht schon wieder täuscht) dieser Tage. Alles von Joyce habe ich als säkulare Literatur gelesen. Nun trat aber beim Wiederlesen von Dubliner eine Lesart hinzu, denn zum ersten Mal wurde mir wirklich bewusst, dass die Geschichten ständig von Priestern und anderen Sündern erzählten, beinahe als wäre hier noch ein Jesuit am Werke. Man sollte nicht vergessen, dass Joyce vom sechsten Lebensjahr an Jesuitenschulen besucht hat, die sein theologisches Denken etwa ein Jahrzehnt lang schulten. Um die Eitelkeit der Welt ginge es in Dubliner, aber auch um die Lähmung, den Stillstand des Lebens. Doch es ist - wie bei JJ immer - mehr drin (nein, nicht dahinter). 


Gerade die Geschichte Gnade, eine der fünfzehn Episoden, hat es in sich. Alle zeichnen das Dunkel, die vergeblichen Versuche der Helden ihrer Dubliner Gefangenschaft zu entkommen. Oder löst sich die bittere Weltsicht in Gnade doch auf? Ich bin noch auf der Suche nach einer klaren Deutung. Bei meinen Recherchen zu Dubliner (quer durch die Biographien von Ellmann, Paris & Co, auch der schlechten von Rademacher) fand ich bei J. Paris dann ein beachtenswertes System (wieder?) und zwar: die ersten Kindheit und Jugendnovellen beschreiben den Zerfall der Kardinaltugenden Glaube, Liebe, Hoffnung; die folgenden sieben Geschichten kreisen um die sieben Todsünden: Hochmut, Geiz, Unzucht, Neid, Zorn, Völlerei und Trägheit. Dann versinkt Dublin in der vollständigen Nacht und die Tugenden Kraft, Gerechtigkeit, Mäßigkeit und Weisheit gehen unter. 

Was soll ich sagen. Es klingt etwas übertrieben, aber erstens, James Joyce ist es zuzutrauen, zweitens, es kommt irgendwie hin. Mir bleibt nur noch ein Zitat, doch für heut genug.