Donnerstag, 17. Dezember 2015

Nach dem Weihnachtsmarkt

Nach dem Weihnachtsmarkt möchte Leo ein wenig über seine Berliner Eindrücke mit den Schwestern und der Mutter plaudern, doch es kommt anders. Die sich sorgende Mutter spricht wieder ein ernstes Wort mit dem Luftikus der Familie: 

"Ja, Mutter, das ist es ja gerade; da steckt ja gerade die Hoffnung, und ich muß beinahe sagen die Zuversicht. Wenn das Wunder gestern war, warum soll es nicht auch heute sein oder morgen oder übermorgen."
"Das klingt ganz gut, aber es ist doch nicht richtig. Sich zu Wunder und Gnade so stellen, als ob alles so sein müßte, das verdrießt den, der all die Gnade gibt, und er versagt sie zuletzt. Was Gott von uns verlangt, das ist nicht bloß so hinnehmen und dafür danken - und oft oberflächlich genug - er will auch, daß wir uns die Gnadenschaft verdienen oder wenigstens uns ihrer würdig zeigen und immer im Auge haben, nicht was so vielleicht durch Wunderwege geschehen kann, sondern was nach Vernunft und Rechnung und Wahrscheinlichkeit geschehen muß. Und auf solchem Rechnen steht dann ein Segen."
"Ach, Mama, ich rechne ja immerzu."
"Ja, du rechnest immerzu, freilich, aber du rechnest nachher, statt vorher."

Was mir an dieser Mutter-Rede so gut gefällt ist, dass Fontane hier schon eine Kritik an der sogenannten billigen Gnade entwickelt, die später Dietrich Bonhoeffer entfalten wird.



aus: Theodor Fontane, Die Poggenpuhls, Nymphenburger 1978, S. 325.