Samstag, 12. Oktober 2013

Evangelischer Buchpreis 2013

Jenny Erpenbeck erhielt für ihren Roman Aller Tage Abend in diesem Jahr den Evangelischen Buchpreis und man könnte denken, naja, sie hat ja auch andere Preise dafür bekommen, dann kann sie doch den Evangelischen Buchpreis noch dazu haben. Solche Sachen kommen ja vor. Doch nun, wo ich endlich die Zeit gefunden habe, diesen Roman zu lesen, stelle ich fest: dieser Preis ging verdientermaßen an JE und ihren wunderbaren Roman.
Aller Tage Abend bespricht viele Lebensthemen wie Liebe und Freundschaft, Bündnis und Verrat, Hingabe und Untreue, Heimat und Heimatverlust, Politik, Krieg und Verlust mit äußerster Sensibilität. Religiösität oder vielmehr die religiöse Dimension ist beinahe der rote Faden, der sich durchs Buch zieht. Man erkennt das nicht allein an den eingeflochtenen Bibelzitaten oder der jüdischen Herkunft oder katholischen Erziehung einzelner Helden. Warmherzig, tiefsinnig und humorvoll wird hier erzählt und bei all dem noch ein Experiment gewagt. Ich fand Jenny Erpenbeck schon früher gut, jetzt finde ich, sie ist eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen in der deutschen Gegenwartsliteratur.
Mit diesen Worten beginnt der Roman: Der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen, hatte die Großmutter am Rand der Grube zu ihr gesagt. Aber das stimmte nicht, denn der Herr hatte viel mehr genommen, als da war - auch alles, was aus dem Kind hätte werden können, lag jetzt da unten und sollte unter die Erde. Drei Handvoll Erde... Dreimal lässt die Erzählerin ihre Heldin sterben, doch dreimal auch wieder auferstehen. Vom Ende her wird hier erzählt. Gegen den Tod.   

Jenny Erpenbeck, 1967 in Ost-Berlin geboren, absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung als Buchbinderin und studierte Theaterwissenschaften. Neben der Regiearbeit an verschiedenen Theatern debütierte sie 1999 als Schriftstellerin mit der „Geschichte vom Alten Kind“. Ihre Prosa wurden vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Solothurner Literaturpreis und dem Heimo von Doderer-Literaturpreis, beide 2008 für den Roman „Heimsuchung“.

Jenny Erpenbeck, Aller Tage Abend, Knaus, 2013.