Sonntag, 21. Juli 2013

Je größer das Dunkel desto heller das Licht




Die Widerstände gegen die Reformer Johannes und Teresa von Ávila wurden immer stärker, die Inquisition brachte Johannes wegen Überschreitung seiner Zuständigkeiten 1577 in ein Ordensgefängnis nach Toledo. Die Schikanen und Qualen dort führten bei Johannes zur tiefen mystischen Erfahrung und zu deren dichterisch ausgestalteter schriftlicher Fixierung.
Johannes vom Kreuz (1542-1591) spanisch: Juan de la Cruz war ein Unbeschuhter Karmelit, Mystiker, Dichter und Kirchenlehrer. 1563 trat er in den Orden der Karmeliten ein. Er war begeistert von den Reformbestrebungen Theresa von Avilas, die er kurz nach seiner Priesterweihe kennen-lernte. Da die Inquisition weniger begeistert von Reformen war, sperrte man Johannes vom Kreuz monatelang ins Gefängnis. Dort schrieb er unter Qualen das Gedicht Die dunkle Nacht. Es beschreibt den Weg der Seele, die ihre Freude darüber zum Ausruck bring, auf dem Weg der geistigen Entäußerung die erhabene Stufe der Vollkommenheit, die Vereinigung mit Gott, erstiegen zu haben. 


Die dunkle Nacht

Entflammt von Liebesqualen,
als schwarz die Nacht einst webte,
o Glück, das ich erlebte!,
ging unbemerkt ich aus,
als Ruhe schon befriedete mein Haus.
 

Wohl auf geheimer Stiege,
vermummt, mit sicherm Schritte,
ging durch des Dunkels Mitte,
o Glück! ich heimlich aus,
als Ruhe schon befriedete mein Haus.

O seligste der Nächte!
Verborgen, sah mich keiner;
mein Führer war nur Einer,
ein Licht, durch das ich sah:
Des Herzens Flamme wies mir, was geschah.

Sie führte mich gewisser
denn Mittagssonnenfeuer
zur Stätte, wo mein Treuer
mein harrete allein.
In diese Stätte drang kein andrer ein.

O Nacht, so hold wie nimmer
das Morgenrot erscheinet!
O Nacht, die du vereinet
dem Bräutigam die Braut,
die umgewandelt sich in Ihm erschaut!

 Mein Herz ihm treu und gänzlich,
bewahrt zum Blumenbette,
war seine Schlummerstätte,
wo liebend ich ihn hielt,
indes die Zeder mit den Lüften spielt!

 Auroras Haar in Lüften,
es weht zur Morgenstunde,
da fühlt’ ich eine Wunde
am Hals von lichter Hand.
O die Entzückung, die ich da empfand!

 Ich lehnt’ an den Geliebten,
mein Antlitz liebestrunken,
und – alles war versunken.
Ich schwand mit allem hin,
die Sorgen ließ ich unter Lilien blüh’n.