Nachdem George Orwell seinen Dienst in Burma nach fünf Jahren aus Protest gegen die Kolonialmethoden gekündigt hatte, ging er nach Paris und hungerte sich dort durch, bis er einen Job als Küchenhilfe bekam. Aufgrund der miesen Arbeitsbedingungen siedelte er bald nach London um, doch dort pilgerte er bald von Asyl zu Asyl mit andern Obdachlosen. In seinem Buch Erledigt in Paris und London erzählt er eindrücklich von seinen Erlebnissen Anfang der Dreißiger Jahre.
Für diesen Blog natürlich einen Auszug zum Thema:
Zwei Themen beherrschten all seine Gespräche: die Schande und Erniedrigung, ein Tramp zu sein und die besten Möglichkeiten , an etwas Eßbares umsonst heranzukommen... Jesus! Wie wärsn, wenn wia uns'n Tee in ein von die Klöster da aufm Weg nach Edbury jenehmjen würn? Die jehm eijentlich imma ein aus. Jaja was wär der Mensch ohne Rilljohn, wa? Hab schon Tee jekriecht von die Klöster, von die Baptissn un' von die Kirche von England und so. Bin ja selber Kathole, naja, ich mein ich war siebßehn Jahre nich mea ßur Beichte, aba denk imma noch relijöhß. n Kloster iss imma gut fürn Tee. So ging das meistens den ganzen Tag, meistens ohne Pause.
Seine Unwissenheit war grenzenlos und verblüffend. Zum Beispiel fragte er mich einmal, ob Napoleon vor Christus gelebt habe oder danach. Ein anderes Mal, als ich mir das Schaufenster eines Buchladens ansah, geriet er völlig durcheinander, weil eines der Bücher hieß: "Wie man Christus nachlebt". Er hielt das für Gotteslästerung. "Was ßum Teufl wolln die Ihn denn nachmachen?" wollte er verärgert wissen. Er konnte zwar lesen, fühlte aber eine Art tiefer Verachtung für Bücher. Auf unserem Weg von Romton nach Edbury ging ich in eine öffentliche Bücherei, obwohl Paddy nichts lesen wollte, schlug ich vor, er könnte doch mit hineinkommen und seine Beine ausruhen. Aber er zog es vor, draußen zu warten. "Nöh", sagter er "die vielen Buchstaben machn mich ja ganz krank."
George Orwell, Erledigt in Paris und London, Diogenes Verlag 1978.