Montag, 25. November 2013

Vergnügtes Tauschen




Nikolaus Lenau


Herbst

Rings ein Verstummen, ein Entfärben:
wie sanft den Wald die Lüfte streicheln,
sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln;
ich liebe dieses milde Sterben.

Von hinnen geht die stille Reise,
die Zeit der Liebe ist verklungen,
die Vögel haben ausgesungen,
und dürre Blätter sinken leise.

Die Vögel zogen nach dem Süden,
aus dem Verfall des Laubes tauchen
die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen,
die Blätter fallen stets, die müden.

In dieses Waldes leisem Rauschen
ist mir als hör' ich Kunde wehen,
dass alles Sterben und Vergehen
nur heimlich still vergnügtes Tauschen.

Sonntag, 17. November 2013

Luther über die Ehe

Martin Luther als Junker Joerg, 1522, Lukas Cranach d.Ä.

Gerade lese ich Luthers Frau Katharina von Bora, eine erzählende Biographie von Marianne Wintersteiner. Als nun Frau Wintersteiner meinte, Katharina von Bora wollte den Luther vielleicht auch deshalb heiraten, weil er doch über die Ehe geschrieben habe, und zwar sehr verständig, da wurde ich doch neugierig und griff nach der Schrift Martin Luthers Vom ehelichen Leben aus dem Jahre 1522. Luther ist auch in dieser Schrift nicht gerade zaghaft, aber ich kenne weder weltliches Recht noch kirchliches dieser Zeit gut genug, um das eine oder andere Urteilswort Luthers richtig einschätzen zu können. Außerdem hat mir das lutherische Eheverständnis grundsätzlich zugesagt, weil es viel Demut zeigt und zur Achtung des anderen mahnt. Ich zitiere hier einige Stellen, die an Aktualität nicht verloren haben:
Mir graut und ich predige nicht gern vom ehelichen Leben, deshalb, weil ich befürchte; wo ichs einmal recht anrühre, wirds mir und andern viel zu schaffen geben. Denn der Jammer ist durch das päpstliche verdammte Gesetz so schändlich verwirrt, dazu haben sich durch das nachlässige Regiment des geistlichen wie des weltlichen Schwerts so viel greuliche Mißbräuche und irrige Fälle darin begeben, dass ich nicht gern dreinsehe, noch gern davon höre... Doch die Schöpfungsordnung lehrt uns wie und wozu wir geschaffen worden sind: ... solch gutes Schöpfungswerk will geehrt und als sein göttlich Werk unverachtet (gehalten) haben, dass der Mann das Weibsbild nicht verachte noch verspotte, und umgekehrt (auch) das Weib den Mann nicht, sondern dass ein jeglicher des andern Bild und Leib als ein göttlich gut Werk ehre, das Gott selbst wohlgefällt. Einige freilich werden aus der Pflicht genommen, andere haben echte Scheidungsgründe und insofern das Recht auf Trennung. Aber die Klage und das ewige Geschrei gegen die Ehe ist Luther nichts als Teufelswerk, festgeschrieben in heidnischen Büchern.
Die Welt sagt von der Ehe: Eine kurze Freude und eine lange Unlust. Aber laß sie sagen, was sie will: was Gott schafft und haben will, das muß ihr ein Spott sein... Es ist ein völlig ander Ding: ehelich sein und (das Wesen des) ehelichen Lebens erkennen. Wer ehelich ist und (das Wesen des) ehelichen Lebens nicht erkennt, der kann nimmermehr ohne Unlust, Mühe und Jammer darinnen leben. Er muß klagen und lästern wie die Heiden und unvernünftigen, blinden Menschen. Wer aber erkennt, der hat ohn Unterlaß Lust, Liebe und Freude drinnen, wie Salomo Spr.18,22 sagt, daß "wer eine Ehefrau gefunden hat, der hat etwas Gutes gefunden" usw. 
So einfach hat sich das Martin Luther vorgestellt. Kein Wunder, könnte man sagen, er hat ja erst einige Jahre später geheiratet. 


Mittwoch, 13. November 2013

Epiphanie, sieben

James Joyce

Es ist jetzt Zeit zu gehen - das Frühstück steht bereit. Ich spreche noch ein Gebet... Ich habe Hunger; doch blieb ich gern noch hier in dieser stillen Kapelle, wo die Messe so still kam und ging ... Sei gegrüßt, heilige Königin, Mutter der Gnade, unser Leben, unsere Süße und unsere Hoffnung! Morgen und alle Tage will ich dir zum Opfer etwas Tugendhaftes vollbringen, weiß ich doch, ich werde dir wohlgefällig sein, wenn ich es tue. Und nun, leb wohl für jetzt ... O, das wunderbare Sonnenlicht in der Allee, und o, das Sonnenlicht in meinem Herzen! 

James Joyce, Epiphanien (Kleine Schriften) edition suhrkamp, 1974. 

Donnerstag, 7. November 2013

Vorbereitungen zur Nacht

Seit einiger Zeit bin ich wieder unter den Anfängern des Glaubens. Nicht, weil man ständig zurückblicken soll, sondern nur, weil mich mein eigener Wahlspruch zurück zu den Quellen zum gründlichen Studium der Dunklen Nacht des Johannes vom Kreuz brachte. Jeder Kenner weiß, dass die Dunkle Nacht etwas für Fortgeschrittene ist, heute würden wir sagen: die Depression oder der Burn out der Gläubigen tritt ein. Diese Krise sieht Johannes vom Kreuz als notwendig an. Er erklärt mit welch mütterlicher Fürsorge Gott sein Kind entwöhnt, um es weiter voran zu bringen. Aus dem Anfängerstadium des Kinderglaubens ins Stadium der Fort- geschrittenen. Der erste Teil seiner Ausführungen handelt allein von den Unvoll-kommenheiten der Anfänger. Hier findet jeder das Seine. Ich zitiere nur einen Abschnitt, der mich besonders angesprochen hat. Warum wohl?

Das ganze Bemühen dieser Menschen ist darauf ausgerichtet, Schmackhaftes und Tröstliches für den Geist zu suchen; darum haben sie es nie satt, Bücher zu lesen. Einmal nehmen sie sich die eine Meditation vor, dann eine andere, und sie sind im Umgang mit den Dingen Gottes immer auf der Jagd nach Wohlgeschmack. Solchen Menschen verweigert Gott den Geschmack sehr zu Recht und auf diskrete und liebevolle Weise. Wenn er das nicht täte, würden sie durch diese geistliche Genußsucht und dieses Gelüsten Schlechtigkeiten ohne Zahl hineinwachsen. Darum ist es für diese Menschen sehr gut, daß sie in die dunkle Nacht eintreten, von der wir noch sprechen müssen, damit sie dort von all diesen Kindereien geläutert werden.