Auf diesem Blog hatte ich vor einigen Monaten Wolfgang
Herrndorfs Roman Sand unter den Stichworten Leiden, leidender
Gerechter vorgestellt, dann wieder gelöscht, weil ich die Abneigung WHs
gegen alles Religiöse und seine Angst vor Vereinnahmung akzeptierte. So wollte
ich auch meiner Trauer um den Autor von Tschick, Sand und Arbeit und
Struktur keinen Ausdruck verleihen, nicht hier. Nirgends.
Doch wer sein Krebstagebuch, seinen Blog Arbeit und
Struktur las, der war, ob nun gläubig oder nicht, berührt und als Christ
angefragt. WH der öffentlich, der schreibend starb wollte keine Kränze, keine
Trauerfeiern und Anzeigen. Tod, wo ist dein Stachel, ruft uns Paulus zu,
aber jeder, der einen für ihn wichtigen Menschen loslassen muss oder zusehen
muss wie einer Krankheit und Sterben ausgeliefert ist und am Ende zu früh
stirbt bzw. wie Herrndorf den Freitod wählt, spürt doch diesen Stachel und muss
seinen Weg finden mit seiner Trauer umzugehen.
Ich möchte zumindest an zwei Blogeinträge erinnern:
13.3. 2010 11:00
Gib mir ein Jahr, Herrgott, an den ich nicht glaube, und
ich werde fertig mit allem.
(geweint)
21.4. 2013 13:15
Von einer Freundin gehört, daß ihr in der Ausbildung im
Hospiz beigebracht wurde, das Fenster im Zimmer der Gestorbenen zu öffnen,
damit die Seele raus kann.
Das hat mir gerade noch gefehlt, zu verrecken in einem
Haus, das von offensichtlich Irren geleitet wird.
“Auch bleib der Priester meinem Grabe fern; zwar sind es
Worte, die der Wind verweht, doch will es sich nicht schicken, daß Protest
gepredigt werde dem, was ich gewesen, indes ich ruh im Bann des ewgen
Schweigens.” (Storm)
Der Blog endet mit dem Eintrag: Sascha Lobo um Arbeit und Struktur
Wolfgang Herrndorf hat sich am Montag, den 26. August 2013 gegen 23.15 Uhr
am Ufer des Hohenzollernkanals erschossen.Trotz dieser Kapitulation nach langem Kampf gegen die Krankheit ist aber eines gewiß: Wolgang Herrndorf lebt in seinen Büchern weiter, wir begegnen ihm weiterhin in seinen Gedanken, Sätzen. Seine Worte bleiben uns.