Freitag, 20. September 2013

Literarisch durchs Kirchenjahr

"Die Seele braucht Feste." Anselm Grün Und dieses Buch erzählt von eben diesen (einstmals) hohen kirchlichen Feiertagen. Ein anregender, "anstoßender" literarisch-religiöser Dialog. Dieses Buch wirbt, erzählend und meditierend, lyrisch und prosaisch um die Freundschaft zwischen Literatur und Theologie. Ja, gute Freundinnen könnten sie sein: die Literatur und die Theologie. Und tun, was gute Freundinnen gemeinhin tun: Hand in Hand Wege gehen, sich ermutigen und helfen, sich offen und auch selbstkritisch in Frage stellen, an den gleichen Problemen und Themen arbeiten, einander achten auch und das je eigene der anderen wertschätzen und zulassen.
»Vom Himmel auf Erden«: In diesem »literarischen Kirchenjahr« kommen 21 Autorinnen und Autoren (und der Herausgeber) zu Wort, die um die mögliche literarisch-theologische Freundschaft wissen. Mit mehr oder weniger Distanz zum Ecclesialen und Religiösen knüpfen sie an die theologischen Inszenierungen des (ökumenischen) Kirchenjahres an, holen sie schreibend den Himmel auf Erden: mal kritisch, mal zustimmend, mal assoziativ, weiterfragend immer aber auf literarischem Niveau. Vom Advent über Weihnachten und Ostern, über Pfingsten und Allerheiligen bis zum Ewigkeitssonntag schreiben: Thomas Vogel: Advent · Bruno Epple: Weihnachten · Karlheinz Kluge: Silvester, Neujahr · Tina Stroheker: Epiphanias · Udo Körner: Aschermittwoch · Jörg Vins: Palmsonntag · Karlheinz Ronecker: Gründonnerstag · Markus Manfred Jung: Karfreitag · Klaas Huizing: Ostern · Beatrice Eichmann-Leutenegger: Ostermontag · Heide Jahnke: Christi Himmelfahrt · Gabriele Hartlieb: Pfingsten · Traugott Giesen: Trinitatis · Michael Albus: Fronleichnam · Alexander Köhrer: Johannistag · Jadallah Shihadeh: Israelsonntag · Christine Langer: Erntedanktag · Helmut Zwanger: Reformationstag · Michael Gollnau: Allerheiligen, Allerseelen · Manuela Fuelle: Buß- und Bettag · Eva Christina Zeller: Ewigkeitssonntag und Thomas Weiß.

Erschienen im Klöpfer&Meyer Verlag, Tübingen, Herbst 2013.

Dienstag, 17. September 2013

Tischgenossin Gottes

Im Vorwort zu "Scivias" schrieb Hildegard von Bingen
"Im Jahre 1141 der Menschwerdung Jesu Christi, als ich zweiundvierzig Jahre und sieben Monate alt war, sah ich ein überaus stark funkelndes Licht aus dem geöffneten Himmel kommen. Es durchströmte mein Gehirn, mein Herz und meine Brust ganz und gar, gleich einer Flamme, die jedoch nicht brennt, sondern erwärmt. Es erglühte mich so, wie die Sonne einen Gegenstand erwärmt, auf den sie ihre Strahlen ergießt. Und plötzlich hatte ich die Einsicht in den Sinn und die Auslegung des Psalters, des Evangeliums und der anderen Schriften des Alten und Neuen Testamentes."



Tagesheilige des 17. September: Hildegard von Bingen

Quelle: Ökumenisches Heiligenlexikon 

Montag, 16. September 2013

Die Perle im Acker

Dieses Buch konnte ich nicht mehr weglegen, ich musste es in einem Zuge durchlesen, sagen wir bei einigen Büchern. Diese Bücher meinen es sicher gut mit uns, sie verschaffen die volle Befriedigung, die gute Unterhaltung. Pessoa, den ich erst seit wenigen Wochen lese, ist anders. Mit anders meine ich nicht, dass er eben ernste Literatur schreibt und deshalb schwer zu lesen wäre. Manche sehen das sicher so. Fernando Pessoa aber ist vor allem eines: kostbar. Schon nach ein oder zwei Seiten wurde mir klar, wie selten er ist, also, was für eine Kostbarkeit ich in den Händen hielt. Ich begann sofort langsamer zu lesen, tagelange Pausen einzulegen, zwang mich das Buch zur Seite zu legen, damit es lang und länger dauert, und mir nach jeder Seite genügend Zeit bliebe nachzudenken. Dieses Buch der Unruhe musst du ganz ruhig lesen, dachte ich, denn es wird keine Fortsetzung geben. 

Ich zitiere aus "Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares" (Autobiographie ohne Ereignisse):
Ich wurde zu einer Zeit geboren, in der die Mehrheit der jungen Leute den Glauben an Gott aus dem gleichen Grund verloren hatte, aus welchem ihre Vorfahren ihn hatten - ohne zu wissen warum. Und weil der menschliche Geist von Natur aus dazu neigt, Kritik zu üben, weil er fühlt, und nicht, weil er denkt, wählten die meisten dieser jungen Leute die Menschheit als Ersatz für Gott. Ich gehöre jedoch zu jener Art Menschen, die immer am Rande dessen stehen, wozu sie gehören, und nicht nur die Menschenmenge sehen, deren Teil sie sind, sondern auch die großen Räume daneben. Deshalb habe ich Gott nie so weitgehend aufgegeben wie sie und niemals die Menschheit als Ersatz akzeptiert. Ich war der Ansicht, daß Gott, obgleich unbeweisbar, dennoch vorhanden sein und also auch angebetet werden könne... Dieser Menschheitskult mit seinen Riten von Freiheit und Gleichheit erschien mir stets wie ein Wiederaufleben jener alten Kulte, in denen Tiere Götter waren oder Götter Tierköpfe trugen.  

Freitag, 13. September 2013

Trauer um Wolfgang Herrndorf

Auf diesem Blog hatte ich vor einigen Monaten Wolfgang Herrndorfs Roman Sand unter den Stichworten Leiden, leidender Gerechter vorgestellt, dann wieder gelöscht, weil ich die Abneigung WHs gegen alles Religiöse und seine Angst vor Vereinnahmung akzeptierte. So wollte ich auch meiner Trauer um den Autor von Tschick, Sand und Arbeit und Struktur keinen Ausdruck verleihen, nicht hier. Nirgends.

Doch wer sein Krebstagebuch, seinen Blog Arbeit und Struktur las, der war, ob nun gläubig oder nicht, berührt und als Christ angefragt. WH der öffentlich, der schreibend starb wollte keine Kränze, keine Trauerfeiern und Anzeigen. Tod, wo ist dein Stachel, ruft uns Paulus zu, aber jeder, der einen für ihn wichtigen Menschen loslassen muss oder zusehen muss wie einer Krankheit und Sterben ausgeliefert ist und am Ende zu früh stirbt bzw. wie Herrndorf den Freitod wählt, spürt doch diesen Stachel und muss seinen Weg finden mit seiner Trauer umzugehen.

Ich möchte zumindest an zwei Blogeinträge erinnern:

13.3. 2010 11:00
Gib mir ein Jahr, Herrgott, an den ich nicht glaube, und ich werde fertig mit allem.
(geweint)

21.4. 2013 13:15
Von einer Freundin gehört, daß ihr in der Ausbildung im Hospiz beigebracht wurde, das Fenster im Zimmer der Gestorbenen zu öffnen, damit die Seele raus kann.
Das hat mir gerade noch gefehlt, zu verrecken in einem Haus, das von offensichtlich Irren geleitet wird.
“Auch bleib der Priester meinem Grabe fern; zwar sind es Worte, die der Wind verweht, doch will es sich nicht schicken, daß Protest gepredigt werde dem, was ich gewesen, indes ich ruh im Bann des ewgen Schweigens.” (Storm)

Der Blog endet mit dem Eintrag: Sascha Lobo um Arbeit und Struktur
Wolfgang Herrndorf hat sich am Montag, den 26. August 2013 gegen 23.15 Uhr am Ufer des Hohenzollernkanals erschossen.

Trotz dieser Kapitulation nach langem Kampf gegen die Krankheit ist aber eines gewiß: Wolgang Herrndorf lebt in seinen Büchern weiter, wir begegnen ihm weiterhin in seinen Gedanken, Sätzen. Seine Worte bleiben uns. 


Mittwoch, 4. September 2013

Dorthin

Hans Arp

Der Engel und die Rose
sind fortgezogen
flußaufwärts der Träume
in das Innere ihrer selbst.
Sie sind fortgezogen
dorthin wo man nicht mehr stirbt
zu den großen weißen Schwalben
zu den durchsichtigen Engeln
dorthin wo man nicht mehr stirbt.
Sie sind fortgezogen
in das Innere ihrer selbst
flußaufwärts der Träume
Der Engel und die Rose
sind fortgezogen. 


zitiert aus: Hans Arp, Gesammelte Gedichte III (1939-57).