Wie es der Titel Geschichten vom Herrn G. uns schon verspricht, so wird in dem schönen Prosabändchen von Thomas Weiß voller Ironie und Freude am Spiel und in gewohnter Dichtersprache erzählt. Beim ersten Aufblättern des Buches denkt man vielleicht auch an den berühmten Herrn K. Warum nicht, aber Thomas Weiß ist eben auch Theologe und da wurde eben aus Herrn G. ein ganz besonderer Herr. Einige Miniaturtexte haben mich an die zauberhafte Welt der A. andere an die Naive Kunst erinnert. Wie meine ich das? Ich meine die einfache, ja kindhafte, die scheinbar unbekümmerte und verspielt phantasievolle Art zu erzählen, die sich auch in den gewählten Bildmotiven zeigt. Ich dachte sofort an die Bilder vom Zöllner Henri Rousseau, die ich sehr mag, aber auch an andere Künstler wie Seraphine Louis. Dann dachte ich an The Brick Bible, weil auch sie uns aus einem anderen Blickwinkel auf die heiligen Geschichten blicken lässt und wir plötzlich über etwas - was wir so noch nicht gesehen hatten - zu schmunzeln beginnen, wo wir früher nur nachdachten. Doch mir geht es bei meinen Vergleichen weniger um die Vorstellung neuer Methoden - auch der Jüdische Witz funktioniert schon seit Jahrhunderten genauso - sondern allein um den anderen Blick auf das Heilige. Sein Blick entheiligt nicht einfach mit allen Mitteln - das kann ja heute wohl jeder - sein Blick ist sanft, tiefgründig, humorvoll. Thomas Weiß räumt die Wohnung Gottes ein wenig um. Es war einfach wieder an der Zeit.
Ein Beispiel: Nachdem Herr G. das Lachen erfunden hatte, wollte er einmal seiner selbst spotten. Wer findet mich lächerlich? rief er in die Runde. Aber von allen Wesen fand sich nur der Mensch, der sich über ihn lustig machte. Da sprach Herr G.: Du bist kein Tier.
Oder: Es ist kein leichter Weg vom Himmel auf die Erde. Sehr steil fällt er ab, und Herr G. war nicht völlig schwindelfrei; wenn er sich nach unten wandte, fing die Welt an, sich schnell zu drehen, und das machte Herrn G. ganz unsicher. Erst, als die Menschen nach oben schauten und ihre Blicke sich mit den seinen trafen, wagte er es, langsam herabzusteigen. Sprosse um Sprosse herunter an der Leiter, die aus Blicken gebaut war, aus erhobenen Häuptern und aus dem Wunsch, bei den Menschen zu sein und den Himmel einmal aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.
Thomas Weiß, Geschichten vom Herrn G. erschienen im Klöpfer&Meyer Verlag, Tübingen, 2013.
Interview mit Thomas Weiß im ERF hier: