Donnerstag, 27. Juni 2013

Fast hab ich schon das Nichts erreicht

Wilhelm Busch

Der Asket

Im Hochgebirg vor seiner Höhle
Saß der Asket;
Nur noch ein Rest von Leib und Seele
Infolge äußerster Diät.
Demütig ihm zu Füßen kniet
Ein Jüngling, der sich längst bemüht,
Des strengen Büßers strenge Lehren
Nachdenklich prüfend anzuhören.
Grad schließt der Klausner den Sermon
Und spricht: Bekehre dich, mein Sohn!
Verlaß das böse Weltgetriebe.
Vor allem unterlaß die Liebe,
Denn grade sie erweckt aufs neue
Das Leben und mit ihm die Reue.
Da schau mich an. Ich bin so leicht,
Fast hab ich schon das Nichts erreicht,
Und bald verschwind ich in das reine
Zeit-, raum- und traumlos Allundeine.
Als so der Meister in Ekstase,
Sticht ihn ein Bienchen in die Nase.
Oh, welch ein Schrei!
Und dann das Mienenspiel dabei.
Der Jüngling stutzt und ruft: Was seh ich?
Wer solchermaßen leidensfähig,
Wer so gefühlvoll und empfindlich,
Der, fürcht ich, lebt noch viel zu gründlich
Und stirbt noch nicht zum letztenmal.
Mit diesem kühlen Wort empfahl
Der Jüngling sich und stieg hernieder
Ins tiefe Tal und kam nicht wieder.

Freitag, 14. Juni 2013

Herrn G.s zauberhafte Welt

Wie es der Titel Geschichten vom Herrn G. uns schon verspricht, so wird in dem schönen Prosabändchen von Thomas Weiß voller Ironie und Freude am Spiel und in gewohnter Dichtersprache erzählt. Beim ersten Aufblättern des Buches denkt man vielleicht auch an den berühmten Herrn K. Warum nicht, aber Thomas Weiß ist eben auch Theologe und da wurde eben aus Herrn G. ein ganz besonderer Herr. Einige Miniaturtexte haben mich an die zauberhafte Welt der A. andere an die Naive Kunst erinnert. Wie meine ich das? Ich meine die einfache, ja kindhafte, die scheinbar unbekümmerte und verspielt phantasievolle Art zu erzählen, die sich auch in den gewählten Bildmotiven zeigt. Ich dachte sofort an die Bilder vom Zöllner Henri Rousseau, die ich sehr mag, aber auch an andere Künstler wie Seraphine Louis. Dann dachte ich an The Brick Bible, weil auch sie uns aus einem anderen Blickwinkel auf die heiligen Geschichten blicken lässt und wir plötzlich über etwas - was wir so noch nicht gesehen hatten - zu schmunzeln beginnen, wo wir früher nur nachdachten. Doch mir geht es bei meinen Vergleichen weniger um die Vorstellung neuer Methoden - auch der Jüdische Witz funktioniert schon seit Jahrhunderten genauso - sondern allein um den anderen Blick auf das Heilige. Sein Blick entheiligt nicht einfach mit allen Mitteln - das kann ja heute wohl jeder - sein Blick ist sanft, tiefgründig, humorvoll. Thomas Weiß räumt die Wohnung Gottes ein wenig um. Es war einfach wieder an der Zeit.  

Ein Beispiel: Nachdem Herr G. das Lachen erfunden hatte, wollte er einmal seiner selbst spotten. Wer findet mich lächerlich? rief er in die Runde. Aber von allen Wesen fand sich nur der Mensch, der sich über ihn lustig machte. Da sprach Herr G.: Du bist kein Tier.     

Oder: Es ist kein leichter Weg vom Himmel auf die Erde. Sehr steil fällt er ab, und Herr G. war nicht völlig schwindelfrei; wenn er sich nach unten wandte, fing die Welt an, sich schnell zu drehen, und das machte Herrn G. ganz unsicher. Erst, als die Menschen nach oben schauten und ihre Blicke sich mit den seinen trafen, wagte er es, langsam herabzusteigen. Sprosse um Sprosse herunter an der Leiter, die aus Blicken gebaut war, aus erhobenen Häuptern und aus dem Wunsch, bei den Menschen zu sein und den Himmel einmal aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. 

Thomas Weiß, Geschichten vom Herrn G. erschienen im Klöpfer&Meyer Verlag, Tübingen, 2013.

Interview mit Thomas Weiß im ERF hier:


Mittwoch, 5. Juni 2013

Ich glaub schon


Ich glaub schon -Ein Dokumentarstück über Glaubensbekenntnisse


Mündliche Überlieferung, Verschriftlichung der ersten Geschichten, Bücher, Heilige Schriften, Schriftreligionen und wieder zurück zum gesprochenen Wort. Ähnlich der Ort. Paradiesgarten, Abraham vorm Zelt, Steinaltar, Tempel, Kirchen, Gotteshäuser und zurück unter den freien Himmel, der niemanden ausschließt. Hier soll aus aktuellem Anlass auf ein etwas anderes Theaterstück über den Glauben und eine sehr lebendige Art diesen zu bekennen hingewiesen werden. Ein schönes Projekt:

Sechs junge Menschen begegnen uns dort, die sich auf die ein oder andere Weise für ein Leben mit dem Glauben entschieden haben und von sich erzählen: ein Mann, der nach acht Jahren Ausbildung im Juni seine Priesterweihe haben wird. Ein anderer, der sich aus Liebe dagegen entschieden hat. Zwei Musliminnen, deren Kopftuch in den Menschen den Reflex „Islamexpertin“ auslöst. Eine Pastorentochter mit Fluchtgeschichte. Und Firas, der das „gelobte Land“ verlassen hat und jetzt im Rebstock kocht. Ziemlich gut und exklusiv für alle, die zu ICH GLAUB SCHON kommen.
Als Publikum erwarten Euch also nicht nur spannende Begegnungen und eine gute Suppe, sondern auch die Holz- und Natur-Installationen des Schweizer Szenografen Murbach/ Meier/ Jaggi/ Franz, in denen dieser Parcours stattfinden wird.

Bei schlechtem Wetter bitte unbedingt festes Schuhwerk und Regenjacke mitbringen!
Dauer:  90 Minuten

WO
auf den GUTLEUTMATTEN: eine wilde Wiese, die ein neuer Außenspielort des Theater Freiburg ist.
Zu finden in Haslach, Escholzstr./ Ecke Carl-Kistner-Str.
Treffpunkt: Tramhaltestelle Haslach Bad

WANN
 Mi. 12.06.; Fr. 14.06.; Di. 25.06; Mi. 26.06.

TEAM Künstlerische Leitung Paul Brodowsky / Ruth Feindel / Christine Umpfenbach    Ausstattung Nina Hofmann    Komposition Amir Teymuri / Carlo Philipp Thomsen  
Mit: Samara Abel el Hafez / Anneli Binder / Sare Sagdic-Begas / Christian Mario Hess / Firas Khatib / Johannes Veith    Violoncello Christian Buchholz    Klarinette Lorenzo de Cunzo 

PREDIGT zum Dokumentarstück vom 2. Sonntag nach Trinitatis (09.06.13) - Immer schon gesagt