Oder nochmal Heinrich Heine
Ich weiß nicht, ob der Mönch, der mir unfern Lucca begegnete, ein frommer Mann ist. Aber ich weiß, sein alter Leib steckt arm und nackt in einer groben Kutte, jahraus jahrein; die zerrissenen Sandalen können seine bloßen Füße nicht genug schützen, wenn er, durch Dorn und Gestrippe, die Felsen hinauf klimmt, um droben, in den Bergdörfern, Kranke zu trösten oder Kindern beten zu lehren; - und er ist zufrieden, wenn man ihm dafür ein Stückchen Brot in den Sack steckt, und ihm ein bißchen Stroh gibt, um darauf zu schlafen. "Gegen den Mann will ich nicht schreiben", sprach ich zu mir selbst. "Wenn ich wieder zu Hause in Deutschland, auf meinem Lehnsessel, am knisternden Öfchen, bei einer behaglichen Tasse Tee, wohlgenährt und warm sitze, und gegen die katholischen Pfaffen schreibe - gegen den Mann will ich nicht schreiben."
aus: Heinrich Heine, Die Stadt Lucca.
Literatheo
Literatur und Theologie - Poesie und Gnade
Mittwoch, 16. Mai 2018
Sonntag, 15. April 2018
Dienstag, 6. März 2018
Mein armer Vetter
Ja, Heine war mir immer zu spöttisch, aber in letzter Zeit, also dieser armen, armen Geistesgegenwart, wo die Welt scheinbar überhaupt kaum mehr Satire, Spott und tiefere Ironie erträgt - ich meine über die Spaßmacher, die gegen Politiker und Lehrer witzeln hinausgehend - kommt mir Heine doch gelegen. Außerdem las ich gerade, dass der aus einer jüdischen Familie stammende Heine sich taufen ließ (um Lehrer werden zu können ok) und Jesus als Mystiker sehr schätzte, man kann sogar sagen liebte. Er nennt ihn darum "Vetter". Ansonsten war er freilich mit Durchschauen beschäftigt und so wurde er zu klug, um ernsthaft glauben zu können...
Zur Passionszeit nun einen Auszug aus dem Wintermärchen:
Heinrich Heine
aus: Deutschland. Ein Wintermärchen (1848)
Und als der Morgennebel zerrann,
Da sah ich am Wege ragen,
Im Frührotschein, das Bild des Manns,
Der an das Kreuz geschlagen.
Mit Wehmut erfüllt mich jedesmal
Dein Anblick, mein armer Vetter,
Der du die Welt erlösen gewollt,
Du Narr, du Menschheitsretter!
Sie haben dir übel mitgespielt!
Die Herren vom hohen Rate.
Wer hieß dich auch reden so rücksichtslos
Von der Kirche und vom Staate!
Zu deinem Malheur war die Buchdruckerei
Noch nicht in jenen Tagen
Erfunden; du hättest geschrieben ein Buch
Über die Himmelsfragen.
Der Zensor hätte gestrichen darin,
Was etwa anzüglich auf Erden,
Und liebend bewahrte dich die Zensur
Vor dem Gekreuzigtwerden.
Ach! hättest du nur einen andern Text
Zu deiner Bergpredigt genommen,
Besaßest ja Geist und Talent genug,
Und konntest schonen die Frommen!
Geldwechsler, Bankiers, hast du sogar
Mit der Peitsche gejagt aus dem Tempel -
Unglücklicher Schwärmer, jetzt hängst du am Kreuz
Als warnendes Exempel!
Und als der Morgennebel zerrann,
Da sah ich am Wege ragen,
Im Frührotschein, das Bild des Manns,
Der an das Kreuz geschlagen.
Mit Wehmut erfüllt mich jedesmal
Dein Anblick, mein armer Vetter,
Der du die Welt erlösen gewollt,
Du Narr, du Menschheitsretter!
Sie haben dir übel mitgespielt!
Die Herren vom hohen Rate.
Wer hieß dich auch reden so rücksichtslos
Von der Kirche und vom Staate!
Zu deinem Malheur war die Buchdruckerei
Noch nicht in jenen Tagen
Erfunden; du hättest geschrieben ein Buch
Über die Himmelsfragen.
Der Zensor hätte gestrichen darin,
Was etwa anzüglich auf Erden,
Und liebend bewahrte dich die Zensur
Vor dem Gekreuzigtwerden.
Ach! hättest du nur einen andern Text
Zu deiner Bergpredigt genommen,
Besaßest ja Geist und Talent genug,
Und konntest schonen die Frommen!
Geldwechsler, Bankiers, hast du sogar
Mit der Peitsche gejagt aus dem Tempel -
Unglücklicher Schwärmer, jetzt hängst du am Kreuz
Als warnendes Exempel!
Sonntag, 25. Februar 2018
Egal was kommt...
Péter Kántor
Was Gott wissen sollte
Gott sollte wissen, dass ich auf ihn zähle,
dass ich ihn brauche,
dass ich ihm vertraue,
dass er auf mich zählen kann,
dass er mich braucht,
dass er mir vertrauen kann,
dass er sich, egal was kommt,
nicht wie ein Bankdirektor verhalten kann,
oder ein Ministerpräsident, oder eine Schönheitskönigin,
dass ich mich, egal was kommt,
nicht wie ein Bankdirektor verhalten kann,
oder ein Ministerpräsident, oder eine Schönheitskönigin,
dass ich nicht von ihm erwarte, dass er überall staubsaugt,
die Teppiche ausschüttelt, schwimmen geht,
und mit dem Rauchen aufhört,
dass er nicht von mir erwarten kann, dass ich überall staubsauge,
die Teppiche ausschüttle, schwimmen gehe
und mit dem Rauchen aufhöre,
dass er sich vor Augen halten soll, dass Gutes nicht nur aus Gutem entsteht,
er soll nicht versuchen, perfekt zu sein
und er soll von der Welt nicht verlangen, perfekt zu sein,
dass ich mir vor Augen halte, dass Gutes nicht nur aus Gutem entsteht,
und ich will nicht perfekt sein,
und ich verlange auch von der Welt nicht, perfekt zu sein,
aber dass es Grenzen gibt,
er soll nicht glauben, dass ich ihm Dinge durchgehen lasse,
die nicht wieder gutzumachen sind,
dass es Grenzen gibt,
dass ich nicht glaube, dass er mir Dinge durchgehen lässt,
die nicht wieder gutzumachen sind,
und schließlich, wenn auch keiner keinem was,
so schuldet er mir doch mit Sicherheit sich selbst,
und schließlich, wenn auch keiner keinem was,
so schulde ich ihm doch mit Sicherheit mich selbst.
(Übersetzt von Terézia Mora und mit ihrer und der freundlichen Genehmigung des Autors hier veröffentlicht.)
Donnerstag, 25. Januar 2018
an gott
an gott (von ernst jandl)
dass an gott geglaubt einstens er habe
fürwahr er das könnte nicht sagen
es sei einfach gewesen gott da
und dann nicht mehr gewesen gott da
und dazwischen sei gar nichts gewesen
jetzt aber müsste er sich plagen
wenn jetzt an gott er glauben wollte
garantieren für ihn könnte niemand
indes vielleicht eines tages
werde einfach gott wieder da sein
und gar nichts gewesen dazwischen
dass an gott geglaubt einstens er habe
fürwahr er das könnte nicht sagen
es sei einfach gewesen gott da
und dann nicht mehr gewesen gott da
und dazwischen sei gar nichts gewesen
jetzt aber müsste er sich plagen
wenn jetzt an gott er glauben wollte
garantieren für ihn könnte niemand
indes vielleicht eines tages
werde einfach gott wieder da sein
und gar nichts gewesen dazwischen
Montag, 7. August 2017
Irrsal und Wirrsal
Wer sich wieder neu ausrichten möchte - jetzt im Sommerurlaub, der Hitze und überhaupt - kann dazu auch zu Altbewährtem greifen: alte und sehr alte Texte, zum Beispiel aus der Bibel. Manch einer lernt vielleicht gerade heute einen Psalm auswendig.
Ich selber erfrische Auge und Geist mit der neu angeschafften Bibelübersetzung von Martin Buber. Lange überlegt, jetzt endlich die vier Bände erstanden. Gerade für Bibelkundige ist das Lesevergnügen gesichert. Ein kurzer Auszug soll dies nun belegen:
Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde.
Die Erde aber war Irrsal und Wirrsal.
Finsternis über Urwirbels Antlitz.
Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser.
Gott sprach: Licht werde! Licht ward.Gott sah das Licht: daß es gut ist.
Gott schied zwischen dem Licht und der Finsternis.
Gott rief dem Licht: Tag! und der Finsternis rief er: Nacht!
Abend ward und Morgen ward: Ein Tag.
Finsternis über Urwirbels Antlitz.
Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser.
Gott sprach: Licht werde! Licht ward.Gott sah das Licht: daß es gut ist.
Gott schied zwischen dem Licht und der Finsternis.
Gott rief dem Licht: Tag! und der Finsternis rief er: Nacht!
Abend ward und Morgen ward: Ein Tag.
Gott sprach:
Gewölb werde inmitten der Wasser
und sei Scheide von Wasser und Wasser!
Gott machte das Gewölb
und schied zwischen dem Wasser,
das unterhalb des Gewölbs war
und dem Wasser, das oberhalb des Gewölbs war.
Es ward so.
Dem Gewölb rief Gott: Himmel!
Abend ward und Morgen ward: zweiter Tag.
Gewölb werde inmitten der Wasser
und sei Scheide von Wasser und Wasser!
Gott machte das Gewölb
und schied zwischen dem Wasser,
das unterhalb des Gewölbs war
und dem Wasser, das oberhalb des Gewölbs war.
Es ward so.
Dem Gewölb rief Gott: Himmel!
Abend ward und Morgen ward: zweiter Tag.
Gott sprach:
Das Wasser unterm Himmel staue sich an einem Ort,
und das Trockne lasse sich sehn!
Es ward so.
Dem Trocknen rief Gott: Erde!
und der Stauung der Wasser rief er: Meere!
Gott sah, daß es gut ist.
Gott sprach:
Sprießen lasse die Erde Gesproß,
Kraut, das Samen samt,
Fruchtbaum, der nach seiner Art Frucht macht
darin sein Same ist,
auf der Erde!
Es ward so.
Die Erde trieb Gesproß,
Kraut, das nach seiner Art Samen samt,
Baum, der nach seiner Art Frucht macht
darin sein Same ist.
Gott sah, daß es gut ist.
Abend ward und Morgen ward: dritter Tag.
Das Wasser unterm Himmel staue sich an einem Ort,
und das Trockne lasse sich sehn!
Es ward so.
Dem Trocknen rief Gott: Erde!
und der Stauung der Wasser rief er: Meere!
Gott sah, daß es gut ist.
Gott sprach:
Sprießen lasse die Erde Gesproß,
Kraut, das Samen samt,
Fruchtbaum, der nach seiner Art Frucht macht
darin sein Same ist,
auf der Erde!
Es ward so.
Die Erde trieb Gesproß,
Kraut, das nach seiner Art Samen samt,
Baum, der nach seiner Art Frucht macht
darin sein Same ist.
Gott sah, daß es gut ist.
Abend ward und Morgen ward: dritter Tag.
Gott sprach:
Leuchten seien am Gewölb des Himmels,
zwischen dem Tag und der Nacht zu scheiden,
daß sie werden zu Zeichen, so für Gezeiten so für Tage und Jahre,
und seien Leuchten am Gewölb des Himmels, über die Erde zu leuchten!
Es ward so.
Gott machte die zwei großen Leuchten,
die größre Leuchte zur Waltung des Tags
und die kleinere Leuchte zur Waltung der Nacht,
und die Sterne.
Gott gab sie ans Gewölb des Himmels,
über die Erde zu leuchten, des Tags und der Nacht zu walten,
zu scheiden zwischen dem Licht und der Finsternis.
Gott sah, daß es gut ist.
Abend ward und Morgen ward: vierter Tag.
Leuchten seien am Gewölb des Himmels,
zwischen dem Tag und der Nacht zu scheiden,
daß sie werden zu Zeichen, so für Gezeiten so für Tage und Jahre,
und seien Leuchten am Gewölb des Himmels, über die Erde zu leuchten!
Es ward so.
Gott machte die zwei großen Leuchten,
die größre Leuchte zur Waltung des Tags
und die kleinere Leuchte zur Waltung der Nacht,
und die Sterne.
Gott gab sie ans Gewölb des Himmels,
über die Erde zu leuchten, des Tags und der Nacht zu walten,
zu scheiden zwischen dem Licht und der Finsternis.
Gott sah, daß es gut ist.
Abend ward und Morgen ward: vierter Tag.
Gott sprach:
Das Wasser wimmle, ein Wimmeln lebender Wesen,
und Vogelflug fliege über der Erde
vorüber dem Antlitz des Himmelgewölbs!
Gott schuf die großen Ungetüme
und alle lebenden regen Wesen, von denen das Wasser wimmelt,
nach ihren Arten,
und allen befittichten Vogel nach seiner Art.
Gott sah, daß es gut ist.
Gott segnete sie, sprechend:
Fruchtet und mehret euch und füllt das Wasser in den Meeren,
und der Vogel mehre sich auf Erden!
Abend ward und Morgen ward: fünfter Tag.
Das Wasser wimmle, ein Wimmeln lebender Wesen,
und Vogelflug fliege über der Erde
vorüber dem Antlitz des Himmelgewölbs!
Gott schuf die großen Ungetüme
und alle lebenden regen Wesen, von denen das Wasser wimmelt,
nach ihren Arten,
und allen befittichten Vogel nach seiner Art.
Gott sah, daß es gut ist.
Gott segnete sie, sprechend:
Fruchtet und mehret euch und füllt das Wasser in den Meeren,
und der Vogel mehre sich auf Erden!
Abend ward und Morgen ward: fünfter Tag.
Gott sprach: Die Erde treibe lebendes Wesen nach seiner Art, Herdentier, Kriechgerege und das Wildlebende des Erdlandesnach seiner Art!
Es ward so.
Gott machte das Wildlebende des Erdlands nach seiner Art
und das Herdentier nach seiner Art
und alles Gerege des Ackers nach seiner Art.
Gott sah, daß es gut ist.
Gott sprach:
Machen wir den Menschen in unserem Bild nach unserem Gleichnis!
Sie sollen schalten über das Fischvolk des Meeres,
den Vogel des Himmels, das Getier, die Erde all,
und alles Gerege, das auf Erden sich regt.
Gott schuf den Menschen in seinem Bilde,
männlich, weiblich schuf er sie.
Es ward so.
Gott machte das Wildlebende des Erdlands nach seiner Art
und das Herdentier nach seiner Art
und alles Gerege des Ackers nach seiner Art.
Gott sah, daß es gut ist.
Gott sprach:
Machen wir den Menschen in unserem Bild nach unserem Gleichnis!
Sie sollen schalten über das Fischvolk des Meeres,
den Vogel des Himmels, das Getier, die Erde all,
und alles Gerege, das auf Erden sich regt.
Gott schuf den Menschen in seinem Bilde,
männlich, weiblich schuf er sie.
Gott segnete sie,
Gott sprach zu ihnen:
Fruchtet euch und mehret euch und füllet die Erde
und bemächtigt euch ihrer!
schaltet über das Fischvolk des Meers, den Vogel des Himmels
und alles Lebendige, das auf Erden sich regt!
Gott sprach:
Da gebe ich euch
alles samensäende Kraut, das auf dem Antlitz der Erde all ist,
und alljedem Baum, daran samensäende Baumfrucht ist,
euch sei es zum Essen,
und allem Lebendigen der Erde, allem Vogel des Himmels,
alles, was auf Erden sich regt, darin lebendes Wesen ist,
alles Grün des Krauts zum Essen.
Es ward so.
Gott sah alles, was er gemacht hatte,
und da, es war sehr gut.
Abend ward und Morgen ward: der sechste Tag.
Gott sprach zu ihnen:
Fruchtet euch und mehret euch und füllet die Erde
und bemächtigt euch ihrer!
schaltet über das Fischvolk des Meers, den Vogel des Himmels
und alles Lebendige, das auf Erden sich regt!
Gott sprach:
Da gebe ich euch
alles samensäende Kraut, das auf dem Antlitz der Erde all ist,
und alljedem Baum, daran samensäende Baumfrucht ist,
euch sei es zum Essen,
und allem Lebendigen der Erde, allem Vogel des Himmels,
alles, was auf Erden sich regt, darin lebendes Wesen ist,
alles Grün des Krauts zum Essen.
Es ward so.
Gott sah alles, was er gemacht hatte,
und da, es war sehr gut.
Abend ward und Morgen ward: der sechste Tag.
Vollendet waren der Himmel und die Erde und all ihre Schar.
Vollendet hatte Gott am siebenten Tag seine Arbeit, die er machte,
und feierte am siebenten Tag von all seiner Arbeit, die er machte.
Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn,
denn an ihm feierte er von all seiner Arbeit, die machend Gott schuf.
Vollendet hatte Gott am siebenten Tag seine Arbeit, die er machte,
und feierte am siebenten Tag von all seiner Arbeit, die er machte.
Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn,
denn an ihm feierte er von all seiner Arbeit, die machend Gott schuf.
Dies sind die Zeugungen des Himmels und der Erde: ihr Erschaffensein.
Dienstag, 25. Juli 2017
Losung
Losung und Lehrtext für Dienstag, den 25. Juli 2017
Du hast meine Seele vom Tode errettet, mein Auge von den Tränen, meinen Fuß vom Gleiten.
Psalm 116,8
Paulus schreibt: Epaphroditus war todkrank, aber Gott hat sich über ihn erbarmt; nicht allein aber über ihn, sondern auch über mich, damit ich nicht eine Traurigkeit über die andere hätte.
Philipper 2,27
Mittwoch, 28. Juni 2017
So sollst du erzählen...
Heute kam ich sehr glücklich aus dem Unterricht, weil einer meiner kleinen Schüler zu mir kam und die Stunde echt toll fand. Diese Stunde aber unterschied sich von anderen Stunden nur dadurch, dass ihn meine besonders emotionale Erzählung erreicht hatte, so wie sie mich selber auch erreicht hatte. Auch die anderen Kinder. Wir alle waren erleichtert darüber, dass unser Held sein Herz öffnen konnte, dass er voller Mitleid und Güte war. Die Geschichte hatte uns selber ganz milde und froh gestimmt. Und da fiel mir eine andere Geschichte ein, darüber, wie man Geschichten erzählen soll, nämlich so:
Mein Großvater war lahm. Einmal bat man ihn, eine Geschichte von seinem Lehrer zu erzählen. Da erzählte er, wie der große Baalsche beim Beten zu hüpfen und zu tanzen pflegte. Mein Großvater stand und erzählte und die Erzählung riß ihn so hin, daß er hüpfend und tanzend zeigen mußte, wie der Meister es gemacht hatte. Von der Stunde an war er geheilt.
So soll man Geschichten erzählen!
Chassidische Legende aus: Martin Buber, Erzählungen der Chassidim.
Sonntag, 28. Mai 2017
Ingeborg Bachmann
Und ausgestoßen aus dem Orden der Ritter,
verwiesen aus den Balladen,
nehme ich einen Weg durch die Gegenwart,
zu auf den Horizont, wo die zerrissenen
Sonnen im Staub liegen,
wo Schattenspiele
auf der unerhöhrten Wand des Himmels
zu Verwandlungen greifen und ihr
einen Stoff einbilden
aus dem alten
Glauben meines Kindergebets.
aus: Friedrich Schorlemmer (Hg), Das soll dir bleiben, Radius Verlag 2012.
Und ausgestoßen aus dem Orden der Ritter,
verwiesen aus den Balladen,
nehme ich einen Weg durch die Gegenwart,
zu auf den Horizont, wo die zerrissenen
Sonnen im Staub liegen,
wo Schattenspiele
auf der unerhöhrten Wand des Himmels
zu Verwandlungen greifen und ihr
einen Stoff einbilden
aus dem alten
Glauben meines Kindergebets.
aus: Friedrich Schorlemmer (Hg), Das soll dir bleiben, Radius Verlag 2012.
Sonntag, 14. Mai 2017
Tag mit Anspruch
Aus gegebenem Anlass zitiere ich mich heute selber (etwas Abwechslung muss sein) und lade alle Leser meines Blogs zur Lesung am 21.05.17 in die Friedenskirche in Freiburg ein. Gelesen wird aus dem gerade erschienenen zweiten Roman "Luftbad Oberspree", der sich intensiv mit beliebten Gegensatzpaaren auseinandersetzt, wie: Geist und Natur, Revolution und Anpassung, Blindheit und Einsicht, Hochmut und Demut, Schicksal und Selbstverwirklichung... all das in kleinen Episoden aus dem Alltagsleben einer jungen, etwas gestressten Mutter, die das Steuer gern aus der Hand gibt, um es in letzter Sekund doch wieder zu ergreifen und rumzureißen. Ich zitiere aus dem 3. Kap. Mai
Es war ein schöner Spaziergang gewesen, mit Ida und den Kindern. Ein langer Tag. Feiertags-stimmung, Pfingstfeststimmung. Alles wirkte ausgeruhter, harmonischer. Wieder allein, fand ich es seltsam, wie sehr ich an Pfingsten darauf achtete, ob man sich verstanden hatte oder ob man nur wieder alles gegeben hatte, um sich in Szene zu setzen. Warum sollte es heute besser klappen, geklappt haben? War das nicht Aberglaube? Das Gleiche an Weihnachten oder Ostern. Es sind diese Ansprüche an den Tag selber, Tag mit Anspruch. Film mit was? Action oder Anspruch? Horror oder Gefühl. Mit Anspruch, bitte. Feiertagsanspruch...
Manuela Fuelle, Luftbad Oberspree, Derk Janßen Verlag, S. 33
Freitag, 12. Mai 2017
Dann wird Frühling sein
Unsere Flüge durch die Welten dieser Schöpfung
werden eines Tages zu Ende sein.
Der Mensch, wenn er gänzlich erschöpft ist,
wird schließlich zu Dir zurückkommen, o Gott.
Ich konnte weder ein Lächeln in den Blumen
noch Licht in den Sternen finden -
bis ich Dich traf, o Geliebter,
gab es nirgendwo Freude.
Wenn die Blumen der Kirchen, Moscheen und Tempel zusammen erblühen,
wird Frühling sein
in Deinem Garten, o Herr.
Rajinder Singh, in: Das große Buch der Mystik, 2005.
werden eines Tages zu Ende sein.
Der Mensch, wenn er gänzlich erschöpft ist,
wird schließlich zu Dir zurückkommen, o Gott.
Ich konnte weder ein Lächeln in den Blumen
noch Licht in den Sternen finden -
bis ich Dich traf, o Geliebter,
gab es nirgendwo Freude.
Wenn die Blumen der Kirchen, Moscheen und Tempel zusammen erblühen,
wird Frühling sein
in Deinem Garten, o Herr.
Rajinder Singh, in: Das große Buch der Mystik, 2005.
Freitag, 28. April 2017
Unsere Götter...
Vor einiger Zeit schon WIR gelesen von Jevgenij Samjatin. Er hat sicherlich alle anderen Autoren dystopischer Romane geprägt, und ich staunte nur, warum ich ihn so spät entdeckte. Der Roman wurde schon 1920 geschrieben. Samjatin - Revolutionär der ersten Stunde - war enttäuscht von dem, was sich in Russland tat und schrieb diese bittere Satire. Natürlich hatte er in Russland keine Chance, die Russen quälten ja immer schon ihre Künstler zu Tode oder jagten sie ins Exil oder die Verbannung, was einem Todesurteil gleichkam. Dazu an anderer Stelle (fuellworte). Hier auf diesem der Literatur und Theologie gewidmeten Blog ein kleines Zitat, welches die Stimmung gut zeigt:
Unsere Götter sind hier auf Erden, sie stehen neben uns im Büro, in der Küche, in der Werkstatt, im Schlafzimmer; die Götter sind wie wir geworden, also sind wir wie Götter geworden. Liebe Leser auf fernen Planeten, wir werden zu Ihnen kommen, damit Ihr Leben ebenso göttlich-vernünftig und exakt wie das unsere wird...
aus: J. Samjatin, WIR. Ganymed Edition, 2015.
Unsere Götter sind hier auf Erden, sie stehen neben uns im Büro, in der Küche, in der Werkstatt, im Schlafzimmer; die Götter sind wie wir geworden, also sind wir wie Götter geworden. Liebe Leser auf fernen Planeten, wir werden zu Ihnen kommen, damit Ihr Leben ebenso göttlich-vernünftig und exakt wie das unsere wird...
aus: J. Samjatin, WIR. Ganymed Edition, 2015.
Dienstag, 28. März 2017
Frühlingsglaube
Ludwig Uhland
Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muss sich alles, alles wenden.
Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch kommen mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal:
Nun armes Herze, vergiss die Qual!
Nun muss sich alles, alles wenden.
Mittwoch, 15. März 2017
Ja, genau
Eugen Roth
Lebenszweck
Ein Mensch, der schon als kleiner Christ
Weiß, wozu er geschaffen ist:
"Um Gott zu dienen hier auf Erden
Und ewig selig einst zu werden!" -
Vergißt nach manchem lieben Jahr.
Das Ziel, das doch so einfach war,
Daß heißt, das einfach nur geschienen
Denn es ist schwierig, Gott zu dienen.
aus: Eugen Roth für Zeitgenossen, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 6.Aufl. 2008, S. 18.
Samstag, 11. Februar 2017
Vor einiger Zeit gelesen: Charlotte Bronte, Shirley (1849)
Daraus eine Kostprobe:
Caroline war Christin, deshalb suchte sie bei seelischen Nöten ihre Zuflucht im Gebet, flehte um Geduld, Stärke, Linderung. Diese Welt aber, das wissen wir alle, ist ein Ort der Heimsuchung, und selbst wenn ihre Bitten vielleicht schon erhöhrt worden waren, schien es ihr, als ob sie ungehört verhallt wären. Manchmal glaubte sie, Gott habe sein Angesicht von ihr abgewendet, und in manchen Augenblicken wähnte sie sich von ihm verworfen und stürzte in Abgünde der Verzweiflung. Die meisten Menschen haben wohl in ihrem Leben einmal einen solchen Anfall von Verzweflung gehabt, nachdem sie sich lange und aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz an eine Hoffnung geklammert hatten, ohne den Tag ihrer Erfüllung zu erleben....
Aber mögen doch alle, die da Leid tragen, festhalten an der Liebe und am Vertrauen zu Gott. Er wird sie niemals verlassen, noch sich endültig von ihnen wenden.
Und da bricht mein Zitat ab, aber der Erzählstrom und Carlotte Brontes Lust aus der Bibel zu zitieren bricht nicht ab. Ich wollte es uns Heutigen nicht zumuten, habe es mir aber anders überlegt. Ja, ja ja, die Wahrheit ist zumutbar!!! Damit sollten zumindest die Künstler und Schriftsteller leben können! Ich fahre also fort: "Denn welchen der Herr liebhat, den züchtigt er". Diese Worte sind wahr und man sollte sie nicht vergessen. Uns klingen diese Bibelverse schnell etwas zynisch, meist zu schnell. Denn der Versuch, sich das Leiden zu erklären, Scheitern zu ertragen, Sterblichkeit und Krankheit zu dulden, steckt darin. Und zwar, ohne sich von Gott lösen zu müssen.
Charlotte Bronte (1816-1855) war eine Kämpfernatur, doch sie hat viel Leid ertragen müssen. Sie war die älteste von drei Schwestern, arbeitete u.a. als Lehrerin und Gouvernante, nachdem sie in Brüssel an einer Privatschule studiert hatte. In ihren Romanen Der Professsor und Vilette verarbetet sie Erlebnisse aus dieser Zeit. Der bekannteste ihrer Romane ist Jane Eyre.
aus: Charlotte Bronte, Shirley, Insel Verlag 2016.
Daraus eine Kostprobe:
Caroline war Christin, deshalb suchte sie bei seelischen Nöten ihre Zuflucht im Gebet, flehte um Geduld, Stärke, Linderung. Diese Welt aber, das wissen wir alle, ist ein Ort der Heimsuchung, und selbst wenn ihre Bitten vielleicht schon erhöhrt worden waren, schien es ihr, als ob sie ungehört verhallt wären. Manchmal glaubte sie, Gott habe sein Angesicht von ihr abgewendet, und in manchen Augenblicken wähnte sie sich von ihm verworfen und stürzte in Abgünde der Verzweiflung. Die meisten Menschen haben wohl in ihrem Leben einmal einen solchen Anfall von Verzweflung gehabt, nachdem sie sich lange und aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz an eine Hoffnung geklammert hatten, ohne den Tag ihrer Erfüllung zu erleben....
Aber mögen doch alle, die da Leid tragen, festhalten an der Liebe und am Vertrauen zu Gott. Er wird sie niemals verlassen, noch sich endültig von ihnen wenden.
Und da bricht mein Zitat ab, aber der Erzählstrom und Carlotte Brontes Lust aus der Bibel zu zitieren bricht nicht ab. Ich wollte es uns Heutigen nicht zumuten, habe es mir aber anders überlegt. Ja, ja ja, die Wahrheit ist zumutbar!!! Damit sollten zumindest die Künstler und Schriftsteller leben können! Ich fahre also fort: "Denn welchen der Herr liebhat, den züchtigt er". Diese Worte sind wahr und man sollte sie nicht vergessen. Uns klingen diese Bibelverse schnell etwas zynisch, meist zu schnell. Denn der Versuch, sich das Leiden zu erklären, Scheitern zu ertragen, Sterblichkeit und Krankheit zu dulden, steckt darin. Und zwar, ohne sich von Gott lösen zu müssen.
Charlotte Bronte (1816-1855) war eine Kämpfernatur, doch sie hat viel Leid ertragen müssen. Sie war die älteste von drei Schwestern, arbeitete u.a. als Lehrerin und Gouvernante, nachdem sie in Brüssel an einer Privatschule studiert hatte. In ihren Romanen Der Professsor und Vilette verarbetet sie Erlebnisse aus dieser Zeit. Der bekannteste ihrer Romane ist Jane Eyre.
aus: Charlotte Bronte, Shirley, Insel Verlag 2016.
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